Luca Oberholzer, Wissenschaftlicher Assistent an der Professur Privatrecht und Privatrechtsvergleichung (Bild: Roberto Conciatori)

In Delphine de Vigans Kriminalroman «Die Kinder sind Könige» steht ein gesellschaftliches Phänomen im Zentrum: Kinder, die von ihren Eltern via Social Media vermarktet werden. Beschrieben wird darin die Entführung der sechsjährigen Influencerin Kimmy; dies aus Sicht der Polizistin Clara. Als literarisches Stilmittel sticht heraus, dass die Inhalte der Videos in der Form von Polizeiprotokollen beschrieben sind, und es ist bedenklich, wie viel Unbehagen diese an sich wertungsfreie Darstellung auszulösen vermag. Neben einem gelungenen und spannenden Krimi wirft das Buch – als dezidiertes Anliegen der Autorin – wichtige Fragen auf: einerseits in Bezug auf die Sicherheit der Kinder, deren Leben im Internet für jedermann zugänglich ausgebreitet wird, andererseits aber auch im Hinblick auf deren langfristige psychische Gesundheit und was es in einem Kind auslöst, wenn die eigene Mutter zugleich auch seine Chefin ist.

Wichtige Rechtsfragen

Den am Kindesschutz interessierten Rechtswissenschaftler regt diese Lektüre zum Nachdenken an. In welchem Rahmen ist «Sharenting» – die stolzen Eltern teilen ihr Familienglück online – zulässig? Und wie sieht die Rechtslage aus, wenn Kinder als kleine Influencerinnen und Influencer bereits Geld für die Eltern erwirtschaften (müssen)? Der Einsatz minderjähriger Schauspielerinnen und -spieler unterliegt in der Schweiz einer Bewilligungspflicht – können solche Vorschriften in der Familie auch zur Geltung kommen? Gerade den Eltern kommt aus juristischer Perspektive eine interessante Rolle zu, denn einerseits sind sie für den Schutz ihrer Kinder verantwortlich, andererseits profitieren gerade sie in den genannten Konstellationen von etwaigen Rechtsverletzungen. Dem Kindesschutzrecht werden die offenen Fragen jedenfalls nicht ausgehen. «Die Kinder sind Könige» vollbringt das Kunststück, sowohl zu unterhalten als auch gesellschaftskritisch zu sein, und erfüllt damit eine wichtige Aufgabe der Literatur. Es handelt sich, um es mit «Le Figaro» auszudrücken, um einen «faszinierenden und notwendigen Roman».

Delphine de Vigan
Die Kinder sind Könige
DuMont, Köln 2022 (franz. Erstausgabe 2021)

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Luca Oberholzer

Wissenschaftlicher Assistent an der Professur Privatrecht und Privatrechtsvergleichung

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