Der Jus-Absolvent Thomas Iseli arbeitet als Chef der Rechtsabteilung der Kantonspolizei Zürich. Dem 39-Jährigen kommt der rasante Berufsalltag bei den Blaulicht-Organisationen entgegen – und er gibt sein Know-how als Lehrbeauftragter weiter.
Thomas Iseli, seit zwei Jahren leiten Sie die Rechtsabteilung der Kapo Zürich – mit 3900 Mitarbeitenden und 60 Standorten eine Grossorganisation. Wofür sind Sie zuständig und was beinhaltet Ihre Arbeit?
Thomas Iseli: Ich leite die Abteilung in personeller, fachlicher und organisatorischer Hinsicht. Wir bearbeiten Rechtsfragen von gesamtbetrieblicher Bedeutung und führen Beschwerde-, Ombuds-, Staatshaftungs- sowie Administrativverfahren durch. Zudem begleiten wir Mitarbeitende in Strafverfahren. Auch leite ich als Piketoffizier grössere, ungeplante Ereignisse vor Ort.
Mussten Sie die Polizeischule durchlaufen, um diese Funktion zu übernehmen?
Nein. Als Quereinsteiger erhielt ich aber eine funktionsspezifische Einführung sowie fachliche Ausbildungen. Zusätzlich absolviere ich den für Polizeioffiziere der Schweiz konzipierten Zertifikatslehrgang «Führung im Polizeieinsatz» (CAS FIP).
Sie waren vorher acht Jahre lang als Anwalt tätig. Was hat Sie zum Wechsel bewogen?
Als Anwalt spezialisierte ich mich im Strafrecht. Ich vertrat Klientinnen und Klienten sowohl als Strafverteidiger als auch als Geschädigtenvertreter. In der Anwaltstätigkeit vermisste ich oftmals Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. In meiner aktuellen Position verfüge ich über diese Kompetenzen. Ich kann im spannenden Bereich der Polizeiarbeit mitwirken und ein Unternehmen weiterbringen. Als Blaulicht-Organisation müssen wir oft schnell reagieren; dies gefällt mir gut. Zudem entspricht mir die Möglichkeit sehr, Personen und Projekte zu führen.
Welche Herausforderungen stellen sich der Kantonspolizei Zürich heutzutage?
Wie bereits erwähnt, müssen Blaulicht-Organisationen schnell handeln und Wirkung erzielen können. Für uns heisst dies, dass wir unsere Arbeit auch ständig hinterfragen und beispielsweise neuen Entwicklungen der Kriminalität anpassen. Wir müssen flexibel und agil bleiben.
Das Verfassen anspruchsvoller Texte ist eine Schlüsselkompetenz, welche jede Juristin und jeder Jurist beherrschen sollte.
Sie sind seit 2015 Lehrbeauftragter an der Universität Luzern. Warum stellen Sie sich dieser Doppelbelastung?
Ich bin Lehrbeauftragter für Falllösungen im Masterstudium. Die Studierenden schreiben dabei eine Arbeit über einen praktischen Fall, die ich korrigiere und bewerte. Der damit verbundene Aufwand ist zwar relativ hoch, es macht mir aber Freude. Ich hoffe, dass ich den Studierenden so die Sicht der Praxis vermitteln kann und sie sich durch meine Anregungen im schriftlichen Ausdruck verbessern können. Aus meiner Sicht ist das Verfassen anspruchsvoller Texte eine Schlüsselkompetenz, welche jede Juristin und jeder Jurist beherrschen sollte.
Wie ist die Erinnerung an Ihre eigene Zeit als Student in Luzern?
Es war eine sehr gute Zeit. Ich begann 2001 als Teil des Pionierjahrganges an der neu eröffneten Fakultät. Die Professorenschaft war sehr interessiert an unseren Rückmeldungen, und wir konnten aktiv mitgestalten. Dieses Neue und der Aufbau der Fakultät war für uns Studierende einmalig und sehr motivierend. Zudem ist Luzern natürlich eine tolle Studentenstadt.
Sie haben nach Ihrem Masterstudium noch eine Doktorarbeit angehängt – über welches Thema?
Über die Führungsorganisation im Aktien-, Banken- und Versicherungsrecht. Damit kam ich erstmals bei der Vorlesung «Legal Management» in Kontakt, wo wir die Führungsstrukturen der Luzerner Kantonalbank in einer Gruppenarbeit analysieren und unsere Erkenntnisse der Geschäftsleitung vorstellen konnten. Auch heute noch interessieren mich Fragen der Führungsorganisation in Unternehmen. Sie sind auch für meine heutige Tätigkeit relevant.
Ihre Dissertation haben Sie an der Universität Zürich verfasst. Warum nicht in Luzern?
Ich erhielt dort eine Stelle als Forschungsassistenz. Dabei war naheliegend, dass ich auch am dortigen Lehrstuhl dissertierte.
Sie haben während Ihrer Zeit als Assistent für den Kanton gearbeitet, danach gingen Sie in die Privatwirtschaft. Bei der Kantonspolizei sind Sie wieder dem Kanton unterstellt. Was gefällt Ihnen besser?
Für mich musste immer das Gesamtpaket stimmen. Je nach Funktion und Hierarchie lassen sowohl Positionen in der Privatwirtschaft als auch beim Staat grosse Gestaltungsspielräume zu. Am öffentlichen Bereich schätze ich, dass die Prozesse und Möglichkeiten (Rechtsgrundlagen!) klar geregelt sind. Demgegenüber kann man in der Privatwirtschaft teilweise flexibler agieren.
Es sind verschiedene Stationen, die Sie hinter sich haben: von einer Lehre über die Erwachsenenmatura bis hin zu Studium, Promotion und Anwaltspatent. Junge Menschen sehen heutzutage einen steinigen Weg vor sich, wenn sie sich ihre Karriere vorstellen. Was würden Sie ihnen auf den Weg geben?
Ich denke, man muss offen sein und am Ende des Studiums einmal einen Weg einschlagen, auch wenn man noch nicht genau weiss, wohin die Reise gehen soll. Idealerweise sollte man bereits während des Studiums Arbeitserfahrungen machen. Wenn man später juristisch arbeiten möchte, kommt man über eine weitere Ausbildung (zum Beispiel Anwaltspatent) oder eine fachliche Weiterbildung nicht herum. Wichtig ist, dass man am Ball bleibt. Obwohl sich gewisse Stellenprofile in Zukunft verändern werden, bin ich überzeugt, dass es immer gut qualifizierte Juristinnen und Juristen braucht.
Thomas Iseli war seit der Gründung der ALUMNI Organisation im Jahr 2008 Co-Präsident (zusammen mit dem 2018 verstorbenen Marc Ronca), bis 2012 dann alleiniger Präsident.