Wie wäre es, wenn die Pflanzenwelt eine eigene Nation mit Rechten und Gesetzen bildete? Dieser spannenden Überlegung widmet sich der Pflanzenforscher Stefano Mancuso. Durchaus mit einem Augenzwinkern werden faszinierende Thesen und darauffolgende Argumentationen nachvollziehbar und auch für Nicht-Botanikerinnen wie mich zu einer Art «pflanzlicher Philosophie» verwoben, was den speziellen Reiz dieses Buches ausmacht.
Die Ausführungen sind vor allem deshalb bemerkenswert, weil biologische Fakten mit politischen und gesellschaftlichen Überlegungen verknüpft werden. Mancuso betrachtet Pflanzen als Teil einer Nation und beschreibt sieben Prinzipien pflanzlichen Zusammenlebens, auf denen diese Nation basiert. Dies reicht von der Erkenntnis, dass die Erde die gemeinsame Heimat allen Lebens ist, bis hin zur Feststellung, dass die Nation der Pflanzen keine Grenzen kennt.
Miteinander dominiert
In anschaulichen Schilderungen regt der Autor zu einem neuen Blick auf die Natur an und beschreibt, wie sich die Menschen in Sachen Nachhaltigkeit und Zusammenarbeit an der Pflanzenwelt orientieren können. Aus Sicht der Pflanzen werden die vom Menschen geschaffenen hierarchisch strukturierten Systeme kritisiert und der ganzheitlichen Struktur der Pflanzen gegenübergestellt. Es ist erstaunlich zu erkennen, wie gut unterschiedliche Pflanzen zusammen funktionieren, indem sie ausschliesslich auf dezentrale und modulare Organisationsformen setzen.
Eine Botschaft zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch: von den Pflanzen lernen. Das beinhaltet den Aufruf zu Kooperation und nachhaltigem Wirtschaften ebenso wie die Ablehnung von Hierarchien und die Freiheit, «ohne Einschränkung zu leben und sich zu bewegen», sowie den Appell zu gegenseitiger Hilfe als Mittel des Zusammenlebens und des Fortschritts. Ein Buch, das zeigt, welche Chancen sich uns Menschen bieten, wenn es uns gelingt, eine neue Perspektive auf die Pflanzenwelt zuzulassen.
Stefano Mancuso
Die Pflanzen und ihre Rechte. Eine Charta zur Erhaltung unserer Natur
Klett Cotta, Stuttgart 2021 (ital. Erstausgabe 2019)