Vor 50 Jahren, am 7. Februar 1971, wurde in der Schweiz auf eidgenössischer Ebene das Frauenstimmrecht eingeführt. Bis der gleichberechtigte Zugang zur Urne Realität wurde, brauchte es mehrere Anläufe – Widerstand gab es teils selbst von Frauenseite.

Grosses Interesse: Blick ins Publikum eines Stadtrat-Podiums im alten Kunsthaus Luzern am 8. Januar 1971, an dem den neuen Stimmberechtigten die Politik erklärt wurde. Der Anlass wurde von der Frauenzentrale organisiert. (Bild: Bruno Voser, 18. Januar 1971, Stadtarchiv Luzern, F2a/ANLASS/EREIGNIS/240:1)

Frauen politisch mitbestimmen zu lassen, wurde in der Schweiz bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gefordert. 1893 führte Neuseeland das Frauenstimmrecht ein, 1906 Finnland, 1913 Norwegen und 1915 Dänemark. Dann folgte rasch eine Vielzahl Staaten. In der Schweiz hingegen begann zwar 1919 eine Reihe von Abstimmungen in verschiedenen Kantonen, doch verwarfen die stimmberechtigten Männer diese Vorlagen alle deutlich.

1929 reichten Frauenverbände, die Sozialdemokratinnen und Gewerkschaften eine Petition mit fast einer Viertelmillion Unterschriften für das Frauenstimmrecht ein. Aber diese blieb vom Bundesrat unbeachtet, und das Anliegen wurde während der folgenden Wirtschaftskrise sowie der Kriegsjahre kaum diskutiert. Das fehlende Interesse von Parlament und Bundesrat machte es auch in der Nachkriegszeit schwierig, den Ausschluss der Frauen von der Politik zu beenden.

Mitgemeint oder nicht?

Nicht nur die politischen, auch die juristischen Instanzen – ebenfalls nur von Männern besetzt – legten dem Frauenstimmrecht Steine in den Weg. Frauenrechtlerinnen und -rechtler wandten sich ab Ende des 19. Jahrhunderts mehrmals an Gerichte, um das Frauenstimmrecht über eine Neuauslegung der Verfassung zu erreichen. Sind im Wort «Schweizer» die Frauen denn nicht mitgemeint? Die Richter lehnten diese Auslegung ab.

Der Weg über eine (Männer-)Abstimmung dauerte lange. In der ersten eidgenössischen Abstimmung von 1959 stimmten 66,9 Prozent der Männer Nein zum Frauenstimmrecht. Im Abstimmungskampf warnte die Gegnerschaft eindringlich davor, wie Kinder vernachlässigt würden, wenn Mütter als Politikerinnen ausser Haus wären. Trotz widersprechender Realität war das Idealbild der Hausfrau und Mutter unerschütterlich. Zudem setzte die Gegnerschaft das Argument, Frauen sollten zuerst auf kommunaler Ebene und im sozialpolitischen Bereich eine Mitsprache erhalten, gerne ein. Trotzdem sagte eine klare Mehrheit der Männer 1960 im Kanton Luzern Nein zum Recht der Gemeinden, das Frauenstimmrecht fakultativ einführen zu können.

Der Stimmungswandel

Doch in den 1960er-Jahren wurden Lebenswege und Rollenbilder allmählich umgewälzt. Das Bild der Hausfrau erhielt Konkurrenz von jenem der «modernen», berufstätigen Frau, der es vielerorts möglich war, in Parteien und Kommissionen einzutreten. Frischer Wind wehte zugunsten der Anliegen der Gleichstellung. So führten seit 1959 mehrere Kantone – allen voran in der Westschweiz – das Frauenstimmrecht ein. Ein starkes Zeichen wurde gesetzt, als der Bundesrat 1968 die Menschenrechtskonvention unter Ausschluss des Mitspracherechts für Frauen unterschreiben wollte und dies zu lautstarkem Protest führte.

Luzern ermöglichte als achter Kanton und dritter Deutschschweizer Kanton den Frauen, ihre politischen Rechte auf kantonaler und kommunaler Ebene wahrzunehmen.

Auch im Kanton Luzern hatte sich die öffentliche Meinung geändert. 1968 lancierte die Konservative Volkspartei Luzern (heutige CVP bzw. Die Mitte) eine Initiative zur Einführung des kantonalen Frauenstimmrechts. Die Partei wollte damit ein neues, «modernes» Selbstverständnis unter Beweis stellen – und Wählerinnen gewinnen. Die kantonale Abstimmung vom 25. Oktober 1970 fand mit 63 Prozent eine überraschend deutliche Mehrheit, auch wenn mehr als die Hälfte der Gemeinden das Frauenstimmrecht ablehnten. Luzern ermöglichte damit als achter Kanton und dritter Deutschschweizer Kanton den Frauen, ihre politischen Rechte auf kantonaler und kommunaler Ebene wahrzunehmen.

Viereinhalb Monate später, am 7. Februar 1971, stimmten die Schweizer Männer mit 65,7 Prozent und 15,5 Ständestimmen dem eidgenössischen Frauenstimmrecht zu.

Warum erst 1971?

Erklärungen, warum die Schweiz das Frauenstimmrecht erst 1971 einführte, verweisen meist auf das politische System. Wer sich für das Anliegen einsetzte, musste nicht nur auf eidgenössischer Ebene, sondern auch in Gemeinden und Kantonen kämpfen. Sprachbarrieren, parteipolitische und konfessionelle Grenzen machten es schwierig, die Kräfte und Strategien zu bündeln. Die Geschlechterordnung, wonach Politik Männersache und die Frau von Natur aus nicht dafür geeignet sei, war in den Köpfen tief verankert. So engagierten sich auch Frauen gegen das Frauenstimmrecht, die, wie im Kanton Luzern, viel Gehör erhielten – und dabei bewiesen, dass sich Frausein und Politik nicht ausschliesst.

Am (vorläufigen) Ende etlicher Abstimmungen und noch mehr Rückschlägen steht ein Resultat, das – so Zeitzeuginnen – rasch zur Selbstverständlichkeit wurde. Die Pionierinnen in der Politik und in anderen öffentlichen Ämtern hatten aber mit Misstrauen und Vorurteilen zu kämpfen. Wie sieht es heute aus? Das Jubiläum 50 Jahre Frauenstimmrecht ist Anlass, um über Geschichte und Gegenwart zu diskutieren.

Museumsausstellung und Podium am 3. Februar

Im Historischen Museum Luzern ist bis am 29. August die Ausstellung «Eine Stimme haben. 50 Jahre Frauenstimmrecht Luzern» zu sehen. Diese fusst auf Recherchearbeiten von Silvia Hess. Aufgrund der Pandemie-Massnahmen ist das Museum zurzeit geschlossen, es öffnet voraussichtlich wieder am 3. März. 

Seit dem vergangenen Herbst führt der Verein «50 Jahre Frauenstimmrecht Luzern» zusammen mit Partnern verschiedene Veranstaltungen zum Thema durch. Bei einigen Anlässen sind auch Einheiten der Universität Luzern involviert. So veranstaltet das Politikwissenschaftliche Seminar am Mittwoch, 3. Februar, um 18 Uhr das Podium «Kampf um Inklusion: Ohne Stimmrecht heute und damals», und zwar aufgrund von Corona online. Der Anlass wird aufgezeichnet und daraufhin für alle Interessierten zugänglich gemacht. Die Veranstaltung «Frauen und Medien», an dem der Lehrstuhl für Soziologie mit Schwerpunkt Medien und Netzwerke beteiligt ist, wurde auf den Herbst verschoben (Datum noch nicht bekannt), der Anlass «Erst 1971? Podiumsgespräch zur Geschichte des Frauenstimmrechts» unter Beteiligung des Historischen Seminars abgesagt. (red.)

Katharina Bursztyn

Katharina Bursztyn

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Nationalfonds-Projekt «Reinheit verkaufen» von Valentin Groebner, Professor für Geschichte mit Schwerpunkt Mittelalter und Renaissance
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Silvia Hess

Freischaffende Historikerin, Kuratorin und Dozentin. Silvia Hess hat an der Universität Luzern Geschichte studiert und hier auch doktoriert. Sie hatte seither verschiedene Lehraufträge inne, zuletzt im vergangenen Herbstsemester.
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