An der Rechtswissenschaftlichen Fakultät ist es möglich, einen internationalen Master-Doppelabschluss (MLaw/LLM) zu erlangen. Eliane Suter hat dazu ein Jahr an der University of Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana studiert. Im Interview berichtet die 25-jährige Aargauerin von ihren Erfahrungen.
Eliane Suter, was ist die wichtigste Erkenntnis, die Sie mit nach Hause genommen haben?
Eliane Suter: Ganz nach dem Motto «Wer wagt, gewinnt» ist mir dank meinem Jahr in den USA bewusst geworden, wie wichtig es ist, immer wieder aufs Neue aus der eigenen Komfortzone auszubrechen. All die Herausforderungen, die sich mir während meines Austauschjahres stellten, haben meinen Erfahrungshorizont letztlich ungemein erweitert. Ausserdem zeigt einem das Eintauchen in ein anderes Sozial- und Rechtssystem wieder einmal auf, wie privilegiert wir hier in der Schweiz eigentlich sind – beispielsweise mit Blick auf unser Sozialversicherungssystem oder unsere tiefen Studiengebühren.
Was hat Sie an der Gastgeber-Uni am meisten überrascht?
Am meisten überrascht hat mich das lockere, auf persönlichen Austausch gerichtete Verhältnis zwischen den Studierenden und der Professorenschaft. Es war explizit erwünscht, dass man jederzeit ins Büro des jeweiligen Professors hineinspazieren und seine Anliegen und Fragen platzieren konnte. Um die Studentinnen und Studenten «anzulocken», standen denn auch in den meisten Büros Snacks und Süssigkeiten bereit. In dieses Bild passt auch, dass die meisten Professorinnen und Professoren bemüht waren, ihre Studierenden selbst in grösseren Klassen mit Namen zu kennen, und sie auch mal zu sich nach Hause zum Abendessen einluden. Und so kommt es, dass es einen auch kaum mehr verwundert, wenn sich an der alljährlichen «Father Mike Show» einige Professoren zu einer Rockband zusammenschliessen oder die Menge mit einer Rap-Einlage begeistern.
Mir ist bewusst geworden, wie wichtig es ist, immer wieder von Neuem aus der eigenen Komfortzone auszubrechen.
Welche Lehrveranstaltung hinterliess einen bleibenden Eindruck?
In besonders guter Erinnerung bleibt mir die Vorlesung «International Law». Unsere Klasse setzte sich aus Studierenden aus 25 verschiedenen Nationen zusammen, wobei die meisten in ihren Heimatländern bereits praktizierende Anwältinnen und Anwälte waren. Vor diesem Hintergrund kamen unglaublich spannende und vielseitige Diskussionsrunden zustande. Besonders gefiel mir an dieser Vorlesung zudem, dass der Vorlesungsstoff ausschliesslich anhand von Fällen erarbeitet wurde. Dies rückte die Studierenden in eine viel aktivere Rolle, indem es weitgehend ihnen selbst überlassen blieb, die einzelnen «Puzzleteile» zu einer manchmal mehr oder weniger kohärenten Rechtssprechungslinie zusammenzusetzen. Dank dieses Unterrichtsstils fiel es mir erstaunlich leicht, den Vorlesungsstoff zu verinnerlichen.
Was würden Sie am liebsten an die Universität Luzern importieren?
Besonders vermissen werde ich das vielfältige kulturelle Rahmenprogramm an der University of Notre Dame. Fast täglich fanden Diskussionsrunden statt, beispielsweise mit Politikern, ehemaligen Guantanamo-Häftlingen oder UNO-Mitarbeitenden. Diese Talks standen sämtlichen Studierenden offen und waren – nicht zuletzt dank der kostenlosen Snacks, die serviert wurden – stets sehr gut besucht. Zudem gab es jede Woche eine Vielzahl an Konzerten, Theateraufführungen, Filmvorstellungen und Sport Events. So wurde es einem definitiv nie langweilig.
Was schätzen Sie an der Universität Luzern nun mehr denn je?
Die gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr und den schönen Blick auf die Alpen. Zudem bin ich der Universität Luzern sehr dankbar, dass sie diese einmalige Möglichkeit des Double-Degree-Abschlusses in Partnerschaft mit der University of Notre Dame geschaffen hat.
Wo haben Sie Ihre erste Freundschaft geschlossen?
Am Tag meiner Ankunft, morgens um zwei Uhr im Walmart. Da meine Wohnung noch unmöbliert war, kam ich auf die glorreiche Idee, um 22 Uhr noch eine Bettdecke einkaufen zu gehen. Als ich mich nach erfolgreichem Einkauf wieder auf den Rückweg machen wollte, musste ich geschlagene drei Stunden auf ein Taxi warten. In dieser Zeit kam ich mit Matt ins Gespräch. Nach fünfzehn Minuten kannte ich bereits die gesamte Lebensgeschichte seines Grossvaters, der Indianer war und Friedenspfeifen schnitzte, welche auch in die Schweiz exportiert wurden.
Welches war das grösste kulturelle Missverständnis?
Dass Amerikanerinnen und Amerikaner, wenn sie zur Begrüssung fragen, wie es einem geht, eigentlich gar keine ausführliche Antwort erwarten. So kam es zu Beginn meines Aufenthaltes immer wieder vor, dass mich ein Mitarbeiter der Mensa verdutzt musterte, als ich auf sein «How are you?» doch tatsächlich eine Antwort gab, anstatt lediglich die gleiche Floskel an ihn zurückzurichten.
Wen oder was haben Sie während Ihres Aufenthalts am meisten vermisst?
Natürlich haben mir meine Familie und Freunde sehr gefehlt. Allerdings war stets so viel los, dass kaum Zeit für Heimweh blieb. Auch vermisst habe ich – ganz klischeehaft – unsere Schweizer Schokolade und guten Käse. So wurde mir bald bewusst, dass die Aufschrift «Swiss Cheese» längst kein Garant dafür war, dass das verpackte Produkt auch tatsächlich entfernt etwas mit Schweizer Käse zu tun hat.
Haben Sie mehr oder weniger Geld ausgegeben als gedacht?
Da ich auf ein Auto verzichtete und häufig selbst gekocht habe, fielen meine Ausgaben letztlich geringer aus als erwartet. So lag ein Saison-Abo für die Spiele der Footballmannschaft der University of Notre Dame, der «Fighting Irish», auch noch gut im Budget drin.
Was ist ein wirklich originelles Mitbringsel?
Das beste Mitbringsel sind meines Erachtens all die Erlebnisse, die mein Jahr an der Notre Dame so grossartig gemacht haben und die ich mit Familie und Freunden teilen konnte. Das Wertvollste, was ich persönlich mit nach Hause nahm, sind die zahlreichen neu geschlossenen Freundschaften mit Menschen aus der ganzen Welt – die Planung eines Klassentreffens ist bereits in vollem Gang.
Auf dem Arbeitsmarkt gefragt
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Luzern bietet seit 2017 internationale Double-Degree-Masterstudiengänge (MLaw/LLM) an. Ein Double-Degree-Studiengang besteht aus dem Jus-Masterstudium in Luzern im Umfang von 90 Credits (MLaw) und einem Masterstudium an einer der Partnerfakultäten (LLM). Zurzeit bestehen Abkommen mit den Universitäten Texas at Austin und Notre Dame (beide USA) sowie mit der Singapore Management University. Nebst der bereichernden Erfahrung kann es für die berufliche Perspektive von Vorteil sein, einen internationalen Abschluss erlangt zu haben. Fakultätsmanager Silvan Wechsler sagt dazu: «Erfolgreiche Absolventinnen und Absolventen eines Auslandsstudiums verfügen über vertiefte Kenntnisse einer anderen Rechtsordnung und sind in der Lage, auf Englisch professionell zu arbeiten. Das ist auf dem Arbeitsmarkt ein wichtiger Wettbewerbsvorteil.» (red.)