Erdal Toprakyaran, Professor für Islamische Theologie, vor einem Poster des besprochenen Films "Bab’Aziz". (Bild: Roberto Conciatori)

Als ich den Film «Bab'Aziz. Der Tanz des Windes» des tunesischen Filmemachers Nacer Khemir vor über zehn Jahren das erste Mal anschaute, war ich ziemlich irritiert und nicht gerade begeistert. Der Sinn der zahllosen verschachtelten, kleinen und grossen Erzählungen des Films erschloss sich mir nicht gleich, obschon ich zu diesem Zeitpunkt bereits ein promovierter Islamwissenschaftler und Kenner der islamischen Mystik war. Auch die Tatsache, dass der Film ohne ersichtlichen Grund in Tunesien und im Iran gedreht wurde, und auch, dass die Protagonistinnen und Protagonisten zwischen dem Persischen und dem Arabischen hin und her switchen – manchmal reden dieselben Personen zuerst Persisch, dann auf einmal Arabisch, ohne dass es einen Grund dafür zu geben scheint –, empfand ich als unlogisch und störend.

Doch heute ist der Film ein fester Bestandteil meiner Mystik-Lehrveranstaltungen, auch weil er auf ästhetische Weise einen Eindruck von der Spiritualität des Orients vermittelt. Man sollte jedoch keine wissenschaftliche, logisch-analytische Darstellung der islamischen Mystik – im Westen bekannt als Sufismus oder Derwischtum – erwarten. Im Kern handelt es sich um ein Märchen über die Suche des Menschen nach Liebe, nach Gott, nach Freundschaft oder nach sich selbst. Im Film suchen die Hauptpersonen nach dem «Fest der Derwische», das alle dreissig Jahre stattfindet, ohne dass jemand den Veranstaltungsort kennt. Wer jedoch aufrichtig sucht, findet das Fest. So suchen die Romantiker nach der Blauen Blume – und die Sufis nach Gott, der im Herzen des Menschen wohnt. Übrigens lautet der Original-Untertitel «Le prince qui contemplait son âme», was vermutlich noch besser passt als derjenige der deutschen Fassung. Nacer Khemir sagte in einem Interview, dass er den Film gemacht habe, um jene offene und freundliche islamische Kultur zu zeigen, die voller Liebe und Weisheit ist. Das ist ihm gelungen.
 

Cover vorgestellter Film "Bab’Aziz"

Nacer Khemir
Bab'Aziz
Tunesien/Iran 2005

Mehr Informationen zum Film

Erdal Toprakyaran
Professor für Islamische Theologie
unilu.ch/erdal-toprakyaran