"Beim Sport zeigt sich, wer dabei sein darf"
Ausschreitungen an Sportanlässen und Dopingversuche sind nichts Neues, wie Sporthistoriker Michael Jucker aufzeigt. Doch Sportgeschichte kann mehr als das und schafft auch in der Lehre neue Perspektiven. In Luzern soll das Forschungsgebiet nicht zuletzt deshalb mehr Gewicht erhalten.
Die Vermittlung von Sportgeschichte ist Ihnen ein grosses Anliegen, nicht nur an der Universität. Sie sind Gründungspräsident des Schweizer Vereins für Sportgeschichte. Was wollen Sie mit dem Verein erreichen?
Zum einen geht es darum, Sportgeschichte zu vermitteln. Zum anderen soll ein vielfältiger Austausch gefördert werden. Zu unseren Mitgliedern gehören neben forschenden Historikerinnen und Historikern auch Archivverantwortliche und Museumskuratorinnen und Kuratoren. Wir organisieren wissenschaftliche Workshops und Beratung für Medien oder für Vereine, die ihre Archive aufarbeiten möchten. In der Schweiz gibt es bisher kein Zentrum für Sportgeschichte, darunter leidet nicht zuletzt die Vernetzung.
Sie haben von der Forschungskommission eine Anschubfinanzierung für mehrere sporthistorische Projekte erhalten. Soll nun an der Universität Luzern das Schweizer Zentrum für Sportgeschichte entstehen?
So hätte ich das nicht formuliert und es wäre auch etwas hoch gegriffen, schliesslich bin ich in dem Gebiet als Forscher noch nicht sehr lange tätig. Aber ich will etwas bewegen: Beim Schweizerischen Nationalfonds werde ich zusammen mit dem Schweizer Sozialarchiv in Zürich einen Antrag auf ein Agora-Projekt einreichen für ein digitales Archiv für Schweizer Sportgeschichte. Auch die niederschwellige Vermittlung von Forschung an Medien, Vereine wie auch an Schülerinnen und Schüler ist Teil des Projekts, dies auch in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Luzern. Es geht dabei beispielsweise darum zu zeigen, welche Schwierigkeiten Frauen oder religiöse Minderheiten hatten, die in den 1960er-Jahren Fussball spielen wollten.
Um was geht es in den anderen beantragten Projekten?
Zusammen mit Daniel Speich Chassé, Titularprofessor am Historischen Seminar, möchten wir mehrere Dissertationsprojekte ermöglichen. Grob gesagt geht es da um die frühe Sportberichterstattung im 19. Jahrhundert, um die Integration von afrikanischen Staaten in das Weltsportsystem und um die Frage, warum in der Schweiz so viele Weltsportverbände angesiedelt sind. Sie sehen nur schon an diesen Fragestellungen: Sportgeschichte ist enorm vielfältig – und gerade in der Schweiz noch massiv untererforscht.
* PD Dr. Michael Jucker ist Privatdozent, Forscher und Lehrbeauftragter am Historischen Seminar.
Quelle: uniluAKTUELL, das Magazin der Universität Luzern, Ausgabe 60, September 2017, S. 12/13.
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