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Das Papstamt als Chance im ökumenischen Gespräch

In seinem Festvortrag zum (noch bevorstehenden) 75. Geburtstag wählte Kurienkardinal Kurt Koch ausgerechnet das Papstamt als Thema für ökumenische Perspektiven.

Kurt Kardinal Koch bei seinem Festvortrag an der Universität Luzern

Als früherer Professor sowie Bischof von Basel und Grosskanzler der Theologischen Fakultät nahm der gerne als Ökumene-Minister des Vatikans bezeichnete Kardinal den Anlass wahr, Bedeutung und Herausforderungen des Petrusamtes für die Einheit der Kirche darzulegen.

Musik und viel kirchliche und weltliche Prominenz bildeten den Rahmen für die wegen der Coronapandemie zum 70. Geburtstag verschobenen Festveranstaltung für den Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch. Margrit Wasmaier-Sailer, Dekanin der Theologischen Fakultät, hob die Verbundenheit des Referenten mit der Universität Luzern hervor und erwähnte, dass er wegen seiner lebenslangen Auseinandersetzung mit Fragen der Ökumene bereits früher als «Architekt der Einheit der Christen» bezeichnet wurde. Seit 2010 steht Kurt Koch als Präfekt dem Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen im Vatikan vor.

«Kreuz» und Chance für die Ökumene

Nicola Ottiger, Leiterin des Ökumenischen Instituts Luzern, lenkte den Blick kurz zurück auf einen anderen grossen Ökumeniker Luzerns, auf Otto Karrer. Dieser hatte noch vor dem II. Vatikanischen Konzil das Petrusamt als «Kreuz der Ökumene» bezeichnet, an dem die Kirchen intensiv zu arbeiten hätten. Dass diese Arbeit aufgenommen wurde, so Nicola Ottiger, zeige das im Sommer erschienene Studiendokument «The Bishop of Rome». Der Kardinal habe mit diesem Dokument gleich selber ein Geschenk für die Zukunft der Ökumene mitgebracht.

Der Kardinal hatte die Einladung, als «Besucher aus Rom über den Papst zu sprechen» ja bereits vor Erscheinen des Papstdokuments angenommen. Sein Referat unter dem Titel «Ökumenische Perspektiven im Blick auf das Papstamt» versteht sich als Grundlage für ein Gespräch über das Papstamt an die Kirchen und Gemeinschaften anderer Konfessionen. Denn dieses sei, wie Koch gleich zu Beginn festhielt, bereits 1967 von Papst Paul VI. als eines der schwierigsten ökumenischen Probleme bezeichnet worden.

In seiner Aufgabe als Förderer der christlichen Einheit von römisch-katholischer Seite legte Kurt Koch nun dar, dass über das Papstamt unterschiedlich diskutiert werden müsse. Mit den Kirchen des Ostens gestalte sich das Gespräch über das Papsttum einfacher. Doch stelle sich hier die Frage, welche Form der Primat des Bischofs von Rom habe. Denn aus katholischer Sicht steht dem Papst nicht allein ein Ehrenvorsitz unter den Patriarchen zu, sondern eine auch eine leitende und in bestimmten Situationen juridische Funktion zu.

Primat und Synodalität

Der Referent machte mit einem Verweis auf den Dogmatiker Medard Kehl deutlich, dass die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden gleichzeitig synodal und hierarchisch verfasst sei. Im Bereich der Synodalität habe die katholische Kirche im Vergleich zu den Orthodoxen vor allem auf ortskirchlicher Ebene allerdings Nachholbedarf. Umgekehrt hätten sich orthodoxe Kirchen in der Vergangenheit Richtung Nationalkirchen bewegt, was der universalen Sicht der christlichen Gemeinschaft entgegenstehe. 

Im Gespräch mit den aus der Reformation herausgegangenen Kirchen stelle sich die Frage des Papsttums bereits beim Kirchenbegriff. Während im evangelischen Verständnis die Gemeinde vor Ort den Kern der Kirche bildet, versteht sich die katholische Kirche als weltweite, hierarchisch gegliederte Gemeinschaft mit dem Papst an der Spitze. Diese auf den ersten Blick unlösbare Differenz lässt sich nach Meinung und Erfahrung des Kurienkardinals aber durchaus überwinden. In der liturgischen Feier des Abendmahls verstehe sich die reformierte Gemeinde sowohl mit dem auferstandenen Christus, wie auch mit der universalen kirchlichen Gemeinschaft verbunden. Hier bestehe Übereinstimmung mit dem katholischen Verständnis. Für eine Annäherung über die konkrete Rolle des Bischofs, wo es in den reformatorischen Kirchen solche gibt, und erst recht im Verhältnis zum Bischof von Rom, gebe es jedoch mit den reformatorischen Kirchen noch Gesprächsbedarf.

Papst und Evangelium

Der für die Ökumene zuständige Kurienkardinal arbeitete in seinem Vortrag die grossen Herausforderungen im Gespräch über das Papstamt zwischen den Konfessionen heraus. Er machte damit klar, dass für den Weg zur Einheit von allen Seiten Schritte gemacht werden müssen. Aus dem langjährigen ökumenischen Dialog folgert Kurt Koch aber ebenso bedeutende Konsequenzen für die römisch-katholische Kirche. Diese müsse sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass das Papstamt nur im Dienst des Evangeliums verstanden werden dürfe. Das kirchliche Lehramt dürfe nicht über dem Wort Gottes stehen, sondern müsse ihm zu Diensten sein, wie es bereits in der Konzilskonstitution «Dei verbum» festgeschrieben sei.

Hier sieht der Kurienkardinal denn auch einen für die katholische Kirche bedeutenden Ansatz zur Förderung des ökumenischen Dialogs über das Papstamt. Der Primat des Bischofs von Rom dürfe nicht allein als eine juridische und schon gar nicht als eine äusserliche Zutat des Kirchenverständnisses gesehen werden. Vielmehr gelte es, den Petrusdienst als «Vorsitz der Liebe» zu sehen, der «in der Eucharistie alle Ortskirchen auf der ganzen Welt zur universalen Kirche verbindet». 

Im Anschluss an die Festrede hielt die Luzerner Dogmatikprofessorin Ursula Schumacher in einer kurzen «Response» fest, dass die ekklesiologische Bedeutung des Papstamtes von Papst Franziskus zeichenhaft verdeutlicht werde. Für sie steht auch fest, dass das römisch-katholische Oberhaupt innerkirchlich eine «Schiedsrichter»-Funktion wahrnehmen müsse, um die Handlungsfähigkeit der Kirche sicherzustellen und versteht das Papstamt, wie es Kurt Koch darstellt, als «ökumenisch weit ausgestreckte Hand».

Versprechen und Begegnungen

Nicola Ottiger hatte bereits in ihrer Einführung darauf hingewiesen, dass in der Ökumene trotz zahlreicher Konvergenzen noch viel zu tun bleibe. Doch gerade ein Dokument wie «The Bishop of Rome», die vor kurzem abgeschlossene römisch-katholische Weltsynode zur Synodalität sowie die bevorstehenden Feierlichkeiten zum Jubiläum 1700 Jahre Konzil von Nizäa versteht sie als Versprechen für eine Erneuerung der ökumenischen Arbeit, die nach wie vor Durchhaltewillen und Zuversicht erfordere.

Die Feier wurde musikalisch umrahmt vom Ensemble Barock Nord West. Nebst Verwandten des Referenten, Mitgliedern der Schweizer Bischofskonferenz und der Luzerner Regierung sowie Professorinnen und Professoren der Universität Luzern bot der gut besuchte Anlass zahlreichen Personen die Möglichkeit zu einer persönlichen Begegnung mit dem Kurienkardinal.

Dieser Bericht wurde von Martin Spilker verfasst. Er schreibt regelmässig zu Anlässen des Ökumenischen Instituts Luzern.

Kurt Kardinal Koch

Kurt Koch (geb. 15. März 1950) aus Emmenbrücke (Kanton Luzern) studierte katholische Theologie in Luzern und München. 1982 wurde er zum Priester geweiht. Nach der Promotion mit einer Arbeit über den evangelischen Theologen Wolfhart Pannenberg und Habilitation wurde er 1989 Professor für Dogmatik und Liturgiewissenschaft an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern und unterrichtete am Katechetischen Institut (heute Religionspädagogisches Institut) Luzern.

1995 wurde Kurt Koch zum Bischof von Basel gewählt und am 6. Januar 1996 in Rom von Papst Johannes Paul II. zum Bischof geweiht. 2010 ernannte ihn Papst Benedikt XVI. zum Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen; im selben Jahr erhielt er die Kardinalswürde. Kurt Koch ist in der römischen Kurie zudem Präsident der Kommission für die Religiösen Beziehungen zum Judentum sowie Mitglied der Dikasterien für die Glaubenslehre, für die orientalischen Kirchen, für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse und für den interreligiösen Dialog.