Einer, dem das Herz für die Ökumene übergeht
Heinrich Bedford-Strohm machte an der diesjährigen Otto-Karrer-Vorlesung der Theologischen Fakultät (TF) am 27. September in einem engagierten Vortrag deutlich, wie er die Rolle der Kirchen angesichts weltweiter Ungerechtigkeiten, Kriege und Naturgefahren sieht.
«Kirchen sind ideale Akteure in Anbetracht der weltweiten Herausforderungen, vor denen die Menschen stehen.» Ein Satz, der es in sich hat und der auf den Schlusspunkt der diesjährigen Otto-Karrer-Vorlesung der TF zusteuerte. Diesen setzte der Referent mit dem Verweis auf die Grundlagen allen kirchlichen Handelns: Dem Glauben der in der Bibel bezeugten Liebe Gottes zu den Menschen.
Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Bayern und seit einem Jahr Vorsitzender des Zentralrats des Ökumenischen Rats der Kirchen (Weltkirchenrat) sagt von sich, dass sein Herz für die Ökumene schlage. So stellte Nicola Ottiger, Professorin für Ökumene und Leiterin des Ökumenischen Instituts, den Referenten vor. Schnell zeigte sich während der Vorlesung in der Jesuitenkirche Luzern, dass dieser Herzschlag einen hohen Puls auszuhalten vermag. Unter dem Titel «Ökumene der Herzen und Öffentliche Theologie – Einheit der Kirche und Einheit der Welt» lud Heinrich Bedford-Strohm zu einer Auseinandersetzung mit Fragen der Ökumene, die weit über theologische Diskussionen hinausgeht.
Auf unterschiedlichen Ebenen ist Bedford-Strohm seit vielen Jahren leidenschaftlich mit dem Anliegen einer Einheit der Kirchen beschäftigt. Die Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe 2022 bildete dabei einen Höhepunkt. Immer legte und legt er nebst der theologischen Auseinandersetzung mindestens ebenso grossen Wert auf die Wertschätzung der Glaubenshaltung des Gegenübers. Denn diese, so ist der Referent der festen Überzeugung, gründet im selben Glauben und in derselben Liebe zu Jesus Christus: «Und diese Liebe ist unteilbar», sagte er mit Verweis auf den Apostel Paulus (1 Korinther 1,13).
Für Heinrich Bedford-Strohm steht deshalb ausser Frage, dass die Kirchen sich gemeinschaftlich den grossen Herausforderungen der Zeit stellen müssen. Denn tun sie es nicht miteinander, verlieren die, die Liebe predigen, an Glaubwürdigkeit. Und Herausforderungen gibt es genug, wie der Referent erläuterte und dabei auf unmittelbare Erfahrungen von ÖRK-Mitgliedskirchen verwies: Kriege, Hungersnot, Folgen des Klimawandels. «Das sind die Abgründe dieser Welt. Und das ist der Ausgangspunkt für das Reden über unseren Glauben», so Bedford-Strohm.
Diese Deutlichkeit liess aufhorchen. Angesichts solcher Abgründe, so Bedford-Strohm, sei die Ökumene heute von grösster Bedeutung. Denn als Christinnen und Christen, die im Glaubensbekenntnis Gott als den Schöpfer bekennen, sei es zentral, sich gemeinsam dafür zu engagieren, dass Krieg, Hunger, Armut und Umweltzerstörung überwunden werden können. Denn solange dies nicht erfolgt, stehe der Mensch gegenüber Gott in der Schuld.
Hier spricht Heinrich Bedford-Strohm denn auch von Sünde in dem Sinn, wie der Reformator Martin Luther den Begriff gewählt habe, wenn er vom sündigen als dem «in sich selbst verkrümmten» Menschen spricht. Der Begriff der Verkrümmung sei heute auf gesellschaftliche Dynamiken auszuweiten: In Nationalismus oder Fremdenfeindlichkeit, verstärkt durch eine kommerzialisierte Digitalisierung, entsteht eine Polarisierung, die dem Schutz des Bedürftigen komplett widerspricht.
Es sei, so fordert es der Referent der Otto-Karrer-Vorlesung deutlich, die Sache der Kirchen, auf Ungerechtigkeiten hinzuweisen und zu handeln. Das Universelle gehöre zur DNA des Christentums. «Die Aufmerksamkeit auf Defizite zu lenken ist genauso eine Kernkompetenz der Kirchen, wie die Seelsorge vor Ort», sagt Heinrich Bedford-Strohm und nimmt damit Kritikern den Wind aus dem Segel, die den Kirchen die Mitsprache in politischen oder wirtschaftlichen Fragen verbieten wollen.
Die Kirchen als «ideale Akteure» also, um sich an der Beseitigung weltweiter Ungerechtigkeiten und Gefahren zu beteiligen. Um diesem Ideal nachzukommen, so Bedford-Strohm, sollten die Kirchen ihre Grundlage, den Glauben an Jesus Christus, als Quelle der Hoffnung ernst nehmen. Dass die Kirchen nicht nur entschieden weiter an ihrer Einheit, sondern auch an der Einheit der Welt arbeiten, sei ihr wesentlicher Auftrag. Deshalb setzt der Vorsitzende des Weltkirchenrats auch auf eine ökumenisch verantwortete Theologie, die sich als Öffentliche Theologie klar in den Dienst der Gesellschaft stelle.
Die jährliche Otto-Karrer-Vorlesung wird veranstaltet vom Ökumenischen Institut Luzern. Am Anlass nahmen als Gäste Rita Famos, Präsidentin der Evangelischen Kirche Schweiz, Felix Gmür, Bischof von Basel und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Armin Hartmann, Regierungsrat und Vorsteher des Bildungs- und Kulturdepartements des Kantons Luzern, Bruno Staffelbach, Rektor der Universität Luzern sowie die Dekanin der Theologischen Fakultät, Margit Wasmaier-Sailer teil. Vertreten waren zudem der Bürgermeister Patrick Becker mit einer Delegation aus Ballrechten-Dottingen (D), dem Heimatort des lange Jahre in Luzern tätigen Ökumenikers Otto Karrer (1888-1976), sowie Mitglieder der ehemaligen Otto-Karrer-Gesellschaft.
Text: Martin Spilker, Journalist, Mitglied des Institutsrats des Ökumenischen Instituts Luzern