«Ich bin in der Klemme.» Franz Kafkas Existenzkämpfe in der unerlösten Welt
Öffentlicher Vortrag zu Franz Kafka von Prof. Dr. phil. Daniel Hoffmann (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), am Institut für Jüdisch-Christliche Forschung (IJCF) im Herbstsemester 2024
Datum: | 3. Dezember 2024 |
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Zeit: | 18.30 Uhr bis 20.00 Uhr |
Ort: | Universität Luzern: Raum 3.B48 |
«Ich bin in der Klemme», sagt Gregor Samsa, über Nacht in ein Ungeziefer verwandelt, zu dem Prokuristen der Firma, in der er angestellt ist. «Ich werde mich aber auch wieder herausarbeite», fügt er pflichtbewusst hinzu. Sich in der Moderne als in einer von Advokaten und Verwaltungsbeamten eingerichteten Welt am Leben zu erhalten, hat Franz Kafka als größte Herausforderung des Menschen angesehen. «Wir können die Kinder vom Existenzkampfe nicht fernhalten, täten wir es, es wäre ihr vorzeitiges Ende», lässt er seinen Ich-Erzähler in seiner letzten Erzählung «Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse» sagen. Die verwaltete Welt ist kein Labyrinth, in der sich der Mensch zurechtfinden soll, sondern ein verbarrikadierter, auf perfide Weise verstellter Raum, aus dem es keinen Ausweg zu geben scheint. Kafkas Figuren suchen jedoch einen Ausweg, auch wenn sie dafür einen hohen Preis zahlen müssen, wie der Affe Rotpeter in «Bericht für eine Akademie». Auf die Freiheit, die ihm die Natur mitgegeben hat, muss er verzichten. Kafkas Prosa zeigt den Menschen bei seinem verzweifelten, aber stets scheiternden Versuch, in der verwalteten Welt, die jeden schuldig spricht, «freies Geleit» (salvus conductus) zu erhalten.
Zur Person: Dr. Daniel Hoffmann, Jg. 1959, ist ausserplanmässiger Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er forscht und lehrt mit dem Spezialgebiet «Deutsch-Jüdische Literatur». 2018 war er Gastprofessor am IJCF zum Thema «Deutsch-Jüdische Literatur – Erinnerungen an den Holocaust» und hielt vergangenes Jahr ein Blockseminar zu «Emotionalen Reaktionen auf den Holocaust während dreier Generationen». Er gehört seit 2019 zum Herausgeberkreis der Zeitschrift «Kirche und Israel» und ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen.
Jüngste Veröffentlichungen:
«Sei Du mein Geleite». Zur Poesie des Judentums im 20. Jahrhundert, Würzburg 2022.
Religiöse Turbulenzen. Essays zur literarischen Darstellung des Religiösen im 20. Jahrhundert. Würzburg 2019.
Heimat, bist du wieder mein. Autobiografische Erinnerungen an das deutsche Judentum, Würzburg 2015.