TA-SWISS-Studie zu neuen Anwendungen der DNA-Analyse
Neue Anwendungen der DNA-Analyse eröffnen Chancen, beinhalten aber auch Herausforderungen und Risiken. TA-SWISS, die Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung, hat dies untersucht und gibt dazu Empfehlungen ab. Forschende der Universität Luzern haben an der Studie mitgewirkt.
Die Studie hatte einerseits Gentests zum Gegenstand, welche direkt an Konsumentinnen und Konsumenten abgegeben werden. Zu diesen sogenannten Direct-to-consumer (DTC)-Gentests gehören etwa solche zur Herkunfts- und Verwandtenforschung oder für Lifestyle-Fragen, beispielsweise zur Analyse von Ernährung, Sport und Wellness. Anderseits wurden die sogenannte DNA-Phänotypisierung betrachtet. Damit sollen äussere und andere Merkmale von Personen, beispielsweise Haut- oder Haarfarbe, anhand von DNA-Spuren bestimmt werden, um die forensische Ermittlung von Tatverdächtigen oder die Identifizierung von Opfern zu unterstützen.
Nebst den wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten und Limitierungen dieser Anwendungen sowie gesellschaftlichen Aspekten wurden auch der rechtliche Kontext und die Regulierung betrachtet. Dieser Teil wurde von einem Team der Universität Luzern, bestehend aus Prof. Dr. Malte Gruber, Professor für Rechtsphilosophie und Wirtschaftsrecht, Prof. Dr. Vagias Karavas, Professor für Rechtssoziologie, Rechtstheorie und Privatrecht und Nina Burri, wissenschaftliche Mitarbeiterin, betreut.
Revidiertes Gesetz berücksichtigt neue DNA-Analysen
Mit der Totalrevision des Gesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) sowie ausführender Verordnungen (GUMV, VDVZ) tritt im Jahr 2021 ein weitgehend neuer Regulierungsrahmen in Kraft, heisst es einleitend im Kapitel zum rechtlichen Rahmen. Das revidierte Gesetz wird auch genetische Untersuchungen ausserhalb des medizinischen Bereichs und solche von nicht vererbbaren Veränderungen des Erbguts ausdrücklich regeln. Es umfasst damit anders als die geltende Rechtsordnung explizit die oben angesprochenen neuen Anwendungen der DNA-Analyse.
Schwierige Abgrenzungsfragen
Das überarbeitete GUMG differenziert zunächst nach Regelungsstufen genetische Untersuchungen innerhalb sowie ausserhalb des medizinischen Bereichs und weiter zwischen Abklärungen besonders schützenswerter Eigenschaften der Persönlichkeit und übrigen genetischen Untersuchungen. Die gesetzlich vorgesehenen Unterscheidungen werfen allerdings weiterhin schwierige Abgrenzungsfragen auf, die im Rahmen der künftigen Gesetzgebungstätigkeit fortlaufend zu berücksichtigen sein werden, heisst es in der Studie.
So können etwa Kundinnen und Kunden auch die Rohdaten der Tests anfordern. Diese können sie dann nachträglich von anderen Anbietern neu auswerten lassen. So können von frei zugänglichen Lifestyle-Tests unter Umständen doch medizinische Aussagen abgeleitet werden. Die Abgrenzung zwischen den medizinischen Anwendungen und dem DTC-Bereich ist insofern zentral, als für erstere strengere Regeln gelten, so Malte Gruber an der Präsentation der Studie.
DNA-Phänotypisierung nur in besonders schweren Fällen
Bezüglich der DNA-Anwendung in der Forensik dient das DNA-Profil-Gesetz als gesetzliche Grundlage. Dieses wird zurzeit überarbeitet. Es regelt, wie DNA-Analysen eingesetzt werden, um Verbrechen aufzuklären. Bisher werden Übereinstimmungen in einer Datenbank gesucht. Wie beim Fingerabdruck können Verdächtige nur gefunden werden, wenn ihr Abdruck bereits gespeichert ist. Neu soll nun auch die DNA-Phänotypisierung erlaubt werden. Diese Methode kann Hinweise auf gewisse körperliche Merkmale einer gesuchten Person geben.
Die Studie weist jedoch darauf hin, dass hier die Ergebnisse kaum eindeutig sind. Sie geben nur Wahrscheinlichkeiten an, etwa für Haar-, Augen- oder Hautfarbe. Zudem wird in der Studie davor gewarnt, DNA-Phänotypisierung breit anzuwenden. Nur in besonders schweren Fällen dürfe sie eingesetzt werden. Die Methode könne zwar zu Unrecht Beschuldigte vom Tatverdacht ausschliessen, es bestehe aber ebenso die Gefahr, dass unschuldige Personen, die ein bestimmtes Merkmal aufwiesen, ins Visier der Ermittlungen gerieten.
Genetische Informationen als geteilte Informationen: Neue Rechtskonzepte nötig
Genetische Information ist geteilte Information: genetische Daten geben nicht nur Informationen über die getestete Person preis, sondern auch über verwandte Personen, die selbst keine genetische Analyse durchführen haben lassen. Dies stellt die bisherige individualistische Ausrichtung der rechtlichen Regulierungen infrage. Statt einer Vielzahl gegeneinander opponierender Individualrechte «an Information», «auf Information» oder auch «auf Nichtwissen» sind alternative Regulierungsmodelle in Betracht zu nehmen, die sich deutlicher auf die kollektive Dimension von genetischer Information einlassen, heisst es in der Studie. Informations- und Datenrechte müssten demnach als Gruppenrechte definiert und nach Massgabe von familiärer und genetischer Verwandtschaft zugeordnet werden.
Interdisziplinäres Projektteam
Die Studie «Neue Anwendungen der DNA-Analyse: Chancen und Risiken – Interdisziplinäre Technikfolgenabschätzung» wurde von einem interdisziplinären Projektteam unter der Leitung von Alexander Lang vom Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien im Auftrag von TA-SWISS erarbeitet. TA-SWISS beschäftigt sich mit neuen Technologien und Innovationen und untersucht, welchen Einfluss diese auf die Gesellschaft, die Politik und das Leben der Menschen in der Schweiz haben. Die Stiftung ist unabhängig und wird aus öffentlichen Geldern finanziert. Organisatorisch ist TA-SWISS als Kompetenzzentrum den Akademien der Wissenschaften Schweiz angegliedert.
Weitere Infos
Neue Anwendungen der DNA-Analyse - Projekt-Website von TA-SWISS; mit Dowloads der Studie und Aufzeichnung der Präsentation