Albanische Moschee Wil/SG
Islamischer Verein Wil
Rosenstrasse 45
9500 Wil
Gebäudetyp: | Moschee und Begegnungszentrum |
Grundfläche des Gebäudes: | 650 m2 |
Fläche des Grundstücks: | 1447 m2 |
Gebäudehöhe: | 15.60 m (plus 2.50 m für Ständer mit Halbmond) |
Kosten: | ca. 4'000'000 SFr. |
Einsprachen: | Ja (Verkehrsbelastung, Parkplätze) |
Bauherrschaft: | Islamischer Verein Wil |
Architekt: | Safet Abdulahi |
Spatenstich: | 26. Juni 2015 |
Bauzeit: | 23 Monate |
Einweihung: | 13. Mai 2017 |
Religiöse Tradition: | sunnitischer Islam |
Erste Idee bis Einweihung: | 11 Jahre |
Wenn man den Bahnhof von Wil in Richtung Süden verlässt, steht man im Stadtteil Wil Süd, der im Norden und Osten von der Eisenbahnlinie, im Westen und Süden aber von der Autobahn begrenzt wird. Nachdem man die vielbefahrene Hubstrasse überquert hat, folgt man der Wilenstrasse quer durch ein Wohngebiet. Bei der Verzweigung Rütlistrasse oder einer der folgenden Querstrassen biegt man links ab und erreicht so die wesentlich ruhigere Rosenstrasse, welcher man entlang vieler Ein- und Mehrfamilienhäuschen bis zu ihrem südlichen Ende folgt. Wendet man sich dort nach links, steht man vor der Fassade der Moschee, nur durch eine grosse Wiese von der Autobahn getrennt.
Das Gebäude kombiniert runde und kubische Formen. Über quaderförmigen Elementen erhebt sich gegen Südosten ein markanter Zylinder. Dieser wird von einer flachen Kuppel bedeckt, die ein schlanker, kleiner Aufbau mit kupfernem Sichelmond krönt. An der Eingangsfassade sorgt ein mattgoldenes Ziergitter für einen leicht orientalischen Eindruck.
Der Islamische Verein Wil wurde 1991 von albanischen Muslimen gegründet. Ab 1993 nutzte er ein Gewerbelokal an der Titlisstrasse 3a als Gebetsraum, das allerdings schon von Anfang an zu eng war für die ca. 400 Mitgliederfamilien. Im Jahr 2006 begann der Verein mit der Suche nach einem Grundstück für den Bau eines grösseren und würdigeren Gebetsraumes. Denn es war seit langem der Wunsch der Schweizer Muslime, «sich von den Hinterhofmoscheen, von Kellern, von Tiefgaragen irgendwann zu befreien und dann in richtige, würdige Räume zu kommen», wie Imam Bekim Alimi sagt.
Früh schon suchte man die Zusammenarbeit mit den städtischen Behörden. Noch bevor der Verein ein Grundstück gefunden hatte, formierte sich überregionaler Widerstand. Denn neben dem Verein in Wil planten auch Moscheevereine in Langenthal und Wangen bei Olten den Bau eines Minaretts. Genau dies deuteten rechtsnationale Politiker als unangemessenen ‹Machtanspruch des Islams›. Sie lancierten die eidgenössische Volksinitiative ‹Gegen den Bau von Minaretten›, die am 29. November 2009 vom Schweizer Stimmvolk angenommen wurde. Der Verein in Wil hatte im Frühjahr 2009 ein Grundstück an der Rosenstrasse in einer Industrie- und Gewerbezone erworben und musste nunmehr das Minarett aus seinen Bauplänen streichen. Zwar reichte er im November 2011 sein Gesuch für den Bau «einer islamischen Begegnungsstätte ohne Minarett» ein, das die Stadt Wil auch genehmigte. Weil aber Einsprachen und Rekurse eingingen (siehe Abschnitt «Nachbarschaft und Konflikte»), wurde die Baubewilligung erst im März 2015 wirksam.
Der Spatenstich fand am 26. Juni 2015 im Beisein von Vertretern der katholischen und reformierten Kirchen Wils statt. Nach der Errichtung des Rohbaus durch eine Schweizer Baufirma wurde eine albanische Firma für die Innenarchitektur beigezogen. Die im Baugewerbe tätigen Gemeindemitglieder konnten dank unzähligen Stunden Freiwilligenarbeit die Baukosten von fünf auf rund vier Millionen Franken senken.
Am 13. Mai 2017 konnte das Begegnungszentrum mit einem grossen Festakt im Beisein der Stadtpräsidentin, zahlreicher Politiker, lokaler Kirchenvertreter und albanischer Geistlicher aus dem In- und Ausland feierlich eröffnet werden.
Abdullah Mustafa wurde 2008 zum Präsidenten des Islamischen Vereins Wil gewählt. In dieser Funktion war er der oberste Bauherr des Begegnungszentrums. Während seiner beruflich aktiven Zeit war er im Haustechnikbereich tätig.
Bekim Alimi ist seit 1999 Imam der Islamischen Gemeinschaft Wil. Geboren in Mazedonien, studierte er in Kairo Theologie und Philosophie, bevor er 1998 in die Schweiz zog. Hier macht er sich schon bald einen Namen als muslimischer Vertreter in interreligiösen Fragen. Diese Funktion erhielt er auch bei der Segnung des neuen Gotthard-Basistunnels und erlangte dadurch schweizweite Bekanntheit (vgl. NZZ vom 3. 1. 2017).
Die Albanische Gemeinde versuchte von Anfang an ein gutes Verhältnis zur Wiler Bevölkerung aufzubauen und führte zu diesem Zweck öffentliche Podiumsdiskussionen und Informationsveranstaltungen zum Bauprojekt durch. Während viele Wilerinnen und Wiler dem Anliegen der albanischen Gemeinde positiv gegenüberstanden, regte sich aber auch Widerstand. National formierte er sich in der «Volksinitiative gegen den Bau von Minaretten» (siehe oben im Abschnitt «Baugeschichte und Grund der Sichtbarmachung»). Lokal bestand er einerseits in einer folgenlosen Interpellation der lokalen SVP-Fraktion im Stadtparlament Anfang 2012, andererseits in den Aktivitäten der „IG Wiler Süden“. Diese befürchtete in erster Linie Mehrverkehr im Quartier und hielt zudem die Anzahl der projektierten Parkplätze für zu gering. Gegen das Baugesuch vom 24. November 2011 gingen 306 grösstenteils gleichlautende Einsprachen ein, welche die Baukommission aber durchweg abwies oder für ungültig erklärte. In einem langwierigen Rechtsstreit zogen einige Beschwerdeführer bis vor das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, wo sie aber erneut unterlagen. Als die Baubewilligung schliesslich 2015 wirksam wurde, hatte die Islamische Gemeinde bereits begonnen, Spenden unter ihren Mitgliedern zu sammeln, um den Bau vollständig selbst finanzieren zu können. So konnte am 26. Juni 2015 der Spatenstich im Beisein von Vertretern der christlichen Ortskirchen erfolgen.
Anlässlich der Eröffnung bedankte sich der islamische Verein bei der Wiler Bevölkerung am Vorabend des offiziellen Festaktes und lud sie in den Stadtsaal zum Monodrama „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ ein. Zwei Tage später war die Bevölkerung schliesslich zum Tag der Offenen Tür mit Rundgängen durch die Moschee eingeladen.
Schon bald nach der Eröffnung fühlten sich manche Anwohnerinnen und Anwohner gestört vom Verkehr und Betrieb, den der religiös wichtige Fastenmonat Ramadan mit seinem regen Besuch in den meisten Moscheen mit sich bringt. An einem Treffen besprachen Vertreter der Stadtregierung und Stadtverwaltung, der Polizei und des Islamischen Vereins das Problem. Gemäss ergänztem Verkehrskonzept muss nun der Verein für Anlässe mit grossem Andrang privat weitere Parkplätze organisieren und seine Besucher instruieren.
Immer wieder genutzt wird das Zentrum für Begegnungen mit Nicht-Muslimen. Regelmässig besuchen Schulklassen und auch andere Gruppen die Moschee.
«Islam» bedeutet «Hingabe (an Gott)». Muslim ist derjenige, der sich Gott hingibt. Der Islam betont denn auch stark die Einheit, Einzigkeit und Allmacht Gottes. Er stellt sich in die jüdisch-christliche Offenbarungstradition mit Abraham als Urbild des Gläubigen und zählt so zu den «monotheistisch-abrahamitischen Religionen». Entstanden ist der Islam im 7. Jahrhundert n. Chr. auf der Arabischen Halbinsel. Der Mekkaner Mohammed (ca. 570 - 632 n. Chr.) erlebte seit etwa dem Jahr 610 bis zu seinem Tod Offenbarungen, die von seiner Anhängerschaft memoriert und in den Jahrzehnten nach seinem Tod als fester Textbestand im Koran (wörtlich: Lesung) gesammelt wurden. In der Sicht des Korans ist Mohammed nur einer, der letzte, in der Reihe der Gottesgesandten seit Adam, als Überbringer der letztgültigen Offenbarung ist er «das Siegel der Propheten». In seiner Heimatstadt Mekka erlebte Mohammed anfangs so starke Anfeindung, dass er mit seinen Anhängern nach Medina auswanderte, wo er als Vermittler zwischen verfeindeten Stämmen willkommen war und in der Folge ein religiös geprägtes Gemeinwesen aufbauen konnte.
Nach Mohammeds Tod wurden die sorgsam gesammelten Berichte (Hadithe) über seine Handlungen und Aussprüche neben dem Koran zum zweiten Orientierungspunkt für die junge Gemeinschaft. Sie umschreiben das vorbildhafte Verhalten des Propheten, die Sunna. Nach ihr benennen sich die Sunniten, die rund 90 Prozent der Muslime ausmachen. Die übrigen sind grösstenteils Schiiten, die sich in den Jahrzehnten nach Mohammeds Tod wegen Fragen der Nachfolge in der Leitung der Gemeinde hinter Mohammeds Cousin und Schwiegersohn Ali sammelten und auch später untereinander weiter spalteten. Die fünf Grundpflichten des erwachsenen Muslims und der Muslimin sind die Schahada, das Glaubensbekenntnis («Es gibt keine Gottheit ausser Gott, und Mohammed ist der Gesandte Gottes»), weiter fünfmal täglich zu bestimmten Zeiten das Gebet (Salat) Richtung Mekka, die Sozialabgabe (Zakat), das Fasten im Monat Ramadan zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang sowie – einmal im Leben –die Pilgerfahrt nach Mekka (Hadsch).
In der Schweiz leben rund 500'000 Muslime, unter ihnen rund 30'000 Schiiten. Etwas über die Hälfte der Muslime in der Schweiz stammen aus Ländern des ehemaligen Jugoslawien, knapp ein Fünftel aus der Türkei; mehr als ein Drittel der muslimischen Bevölkerung besitzt die Schweizer Staatsbürgerschaft. Zu erwähnen sind auch die schätzungsweise rund 50'000 Aleviten, meist türkischstämmige Anhänger einer religiösen Tradition mit schiitischen aber auch nicht-islamischen Elementen; sie sind eigenständig organisiert und betrachten sich selber oft nicht als Muslime.
Links
Facebookseite der Moschee (Deutsch/Albanisch)
Muslimisches Freitagsgebet in Wil am 27. August 2017 – SRF Sternstunde Religion