Programm PGZ
Das Anthropozän und wir: Ansätze zu Protestkultur, Klimagerechtigkeit und zur Erzählbarkeit der Krise
Wir wissen es alle: Der Mensch ist die Hauptursache der fortwährenden Zerstörung der verletzlichen Balance unseres Ökosystems und der Katastrophe unseres Klimas. Dies beschreibt das Konzept des Anthropozäns. Doch wie hilfreich ist diese Perspektive darin, neue Erzählungen zu schaffen, die uns aus einer kollektiven Trägheit befreien? Welche moralischen Fragen entstehen durch die ungerechte Verteilung zwischen denen, die im sogenannten globalen Norden durch ihre ausbeuterischen Tätigkeiten für den Klimawandel die Hauptverantwortung tragen und jenen Leidtragenden, die ausserhalb der Zentren des Kapitalismus leben? Für jede*n Einzelne*n folgt die alte Frage der Ethik und der politischen Philosophie von «Was tun?» Können wir es uns leisten, jetzt träge, fatalistisch oder pazifistisch zu sein, wo es darum geht, lebensnotwendige Ressourcen sowie lebenserhaltende Reproduktionszyklen auch für zukünftige Generationen aufrechtzuerhalten? Wie können alternative Visionen und Narrative einer menschengemachten Zukunft entwickelt werden und uns zum Tun anregen?
Flyer Das Anthropozän und wir
Veranstaltungen
Film: How To Blow Up a Pipeline
Mittwoch, 9. Oktober 2024, 18.15–20 Uhr | Universität Luzern, Raum 3.B52 (3. OG)
Eine genaue Anleitung erwartet mensch vom Film (wie auch von Andreas Malms Buch, auf welchem der Film theoretisch basiert) eigentlich vergeblich. So stellen Buch und Film eher eine Antwort auf die Frage «Why Blow Up a Pipeline?» dar und sind damit ein Versuch einer Rechtfertigung von industrieller Sabotage. Im Film folgen wir einer Gruppe von Protagonist*innen, welche sich aus verschiedensten Gründen dazu beschlossen haben, gegen die Erdölindustrie zu kämpfen, indem sie versuchen, eine Pipeline in Texas in die Luft zu jagen. Die einzelnen Hinter- wie auch Beweggründe erfahren wir durch kurze Rückblenden, in welchen die eigentliche Prämisse des Filmes immer wieder in Frage gestellt wird. Der Film umkreist zunehmend einen Punkt, an welchem genug Geschichten erzählt, genug Streitereien vor Gericht und in Medien geführt worden sind und es darum ginge zu handeln. Das heisst für Malm das business as usual-Funktionieren, welches uns in den zivilisatorischen Selbstmord zu treiben droht, zu blockieren und damit die herrschende Ohnmacht zu überwinden.
Helene Romakin (ZHdK): Das Anthropozän erzählen
Mittwoch, 16. Oktober 2024, 18.15–20 Uhr | Universität Luzern, Raum 3.B52 (3. OG)
Nach den Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltkrise dominieren weiterhin zahlreiche Katastrophen die täglichen Nachrichten. Wir sind in das neue Zeitalter des Anthropozäns eingetreten, und es gibt kein Zurück. Angesichts der täglichen Konfrontation mit den Folgen der Umweltkrise bleibt die Frage, wie dem Klimawandel mit Respekt, Fürsorge und Würde begegnet werden kann – sowohl anderen Menschen gegenüber als auch gegenüber gesamten Ökosystemen mit nicht-menschlichen Akteuren. Der Vortrag verfolgt die Frage, wie eine angemessenere visuelle und erzählerische Kultur konstruiert werden kann, um die Umweltkrise, die nach wie vor weitgehend als ungreifbar wahrgenommen wird, zu verstehen und darauf zu reagieren. Diese äußerst reiche Diskussion um das Anthropozän wird als Linse genutzt, um darüber nachzudenken, was Natur, Menschen und ihre Beziehung zur Welt sein könnten.
Simon Kräuchi (Universität Fribourg): Klimagerechtigkeit für Schäden und Verluste (Losses and Damages)
Mittwoch, 23. Oktober 2024, 18.15–20 Uhr | Universität Luzern, Raum 3.B52 (3. OG)
Selbst wenn von heute auf morgen radikale Emissionsreduktionen und Anpassungsmassnahmen beschlossen werden würden, könnten viele negative Auswirkungen – oder Verluste und Schäden (Losses and Damages/Loss and Damage), wie sie in der internationalen politischen Debatte genannt werden – nicht mehr verhindert werden. Von einer gerechtigkeitstheoretischen Perspektive aus betrachtet stellt dies einen besorgniserregenden Umstand dar: Denn es sind oftmals diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, die am meisten von diesen Verlusten und Schäden betroffen sind. Daraus ergeben sich dringende moralische Fragen: Erstens, was sind die Ansprüche derjenigen, die vom Klimawandel betroffen sind? Zweitens, wer sollte die Verantwortung für die zu treffenden Massnahmen tragen? Und drittens, wie können gerechte Lösungen in den nicht-idealen Bedingungen unserer Welt umgesetzt werden? Im Vortag wird ein Überblick über das Thema gegeben und es werden einige konzeptuelle Antworten auf die gestellten Fragen vorgestellt.
Eigentum aus postkolonialer, rechtshistorischer und östlich-philosophischer Perspektive (Januar 2024)
Werden Eigentumsansprüche erst dann hinfällig, wenn regenerative Lebensgrundlagen und Ressourcen sowie lebenserhaltende Reproduktionszyklen vollständig unterbunden sind? Wohin führt uns die Dekadenz des kapitalistischen Eigentumsanspruchs eines Marktliberalismus? Individuelle Eigentumsrechte konzipieren Verfügungsgewalt; betonen die Herrschaft über Sachen, Dinge, Menschenleben und deren Körper; bestimmen die Regulierung des Familienlebens, die Ehe, das Erbe, die Sexualität und die Reproduktionsphänomene; exkludieren längerfristige, in die Zukunft reichende Verantwortlichkeiten und irreparable Schäden am Ökosystem. Liesse sich Eigentum nicht auch als keinen Aneignungsmythos oder Ausbeutungsmythos erzählen? Eigentum als philosophisches Konzept erlaubt uns, denkend diverse Perspektiven einzunehmen.
Referentinnen: Mrunmayee Sathye, Rebecca Sauer, Hannah Vögele.
Feministische Philosophie (2022)
Feministische Philosophie untersucht Geschlecht in seinen zahlreichen Wirkungsformen. Sie fragt danach, was Geschlecht ist und wie geschlechterspezifische Verhältnisse unsere Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsweisen beeinflussen. Philosophie ist auch dann feministisch, wenn sie bestehende philosophische Positionen aus einer eministischen Perspektive untersucht. Wie prägt unser Denken über Geschlecht unsere Vorstellungen von Wissen, Wahrheit, Logik oder moralischem Handeln? So fragt sie zum Beispiel danach, inwiefern geschlechterstereotypische Ideen den philosophischen Kanon geprägt haben. Indem sie diese Fragen formuliert, stellt sie nicht zuletzt das Selbstverständnis der Philosophie, eine universale und objektive Wissenschaft zu sein, auf den Prüfstand. Und Feministische Philosophie verfolgt feministische Ziele, indem sie philosophische Theorien und Werkzeuge benutzt, um gesellschaftliche Macht- und Unterdrückungsverhältnisse zu analysieren und zu beeinflussen. Die aktuelle Reihe der Philosophischen Gesellschaft bietet Einblicke in die feministische Philosophie und lädt zum Nach- und Weiterdenken ein.
Referentinnen: Katrin Wille, Deborah Mühlebach, Stephanie Deig, Fiona Wachberger.
Wahrheit und Politik (2020)
Der Wahrheit auf den Grund gehen: Wenn die Philosophie sich im Rahmen von Wahrheitstheorien auf ein solches Unterfangen begibt, gelangt sie meist ins Abstrakte. Wir gehen in unserer diesjährigen Vortragsreihe einen anderen Weg und beschäftigen uns mit Wahrheit in verschiedenen Kontexten.
Referentinnen und Referenten: Romy Jaster, Katia Saporiti, Thomas Strässle.
Künstliche Intelligenz (2018)
Künstliche Intelligenz. Zwei Begriffe, die nicht ohne Reibung zusammengehen: «Intelligenz» und «künstlich». Intelligenz beansprucht der Mensch zuerst einmal für sich selbst und glaubt, dass dieses Vermögen ihm einen ausgezeichneten Platz unter den Lebewesen verschafft. Im 21. Jahrhundert soll sie künstlich reproduzierbar sein. Was ist denn aber Intelligenz überhaupt, wenn sie nicht in den Bereich des Lebendigen gehört? Oder schliessen sich «künstlich» und «lebendig» gar nicht aus? Und was bedeutet es für unser Verständnis von Bewusstsein und Moral, wenn wir mit Maschinen konfrontiert sind, die sich intelligent verhalten?
Referentinnen und Referenten: Francesco Basile, Catrin Misselhorn, Peter Rudin, Emmanuel Baierlé, Heinrich Weingartner.
Demokratie (2017/18)
Demokratie ist gut. Demokratie ist eine Tyrannei. Demokratie ist in Gefahr. Demokratie ist eine Überforderung. Keine Zukunft ohne Demokratie. Demokratie ist tot. In der aktuellen Vortragsreihe wird an fünf Abenden die Frage nach der Demokratie gestellt und unsere demokratische Praxis in Frage gestellt. Die aktuelle Reihe entstand in Zusammenarbeit mit dem politikwissenschaftlichen und dem philosophischen Seminar der Universität Luzern.
Referentinnen und Referenten: Prof. Francis Cheneval, Adrienne Fichter, Andreas Cassee, Prof. Dr. Christine Abbt, Dr. Nenad Stojanovic, Alice El Wakil.
Film und Philosophie (2017)
Film und Philosophie ist eine Reihe der Philosophischen Gesellschaft Zentralschweiz (PGZ) in Zusammenarbeit mit dem Stattkino Luzern. Mit grosszügiger finanzieller Unterstützung durch den FUKA Fonds und die Josef Müller Stiftung.
Referentinnen und Referenten: Josel Früchtel, Johannes Binotto, Richard Heinrich, Pierfrancesco Basile, Maria-Sibylla Lotter.