Frauen in der Novemberrevolution

Waffenlager, Zufluchtsort, Treffpunkt: Die Wohnungen von Frauen wurden zu zentralen Orten der Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland. Clotilde Faas stellt ihre innovativen Forschungsergebnisse an der Universität Luzern vor.

Clotilde Faas präsentiert Ihre Forschungsergebnisse am Historischen Seminar der Universität Luzern.

Clotilde Faas ist eine Lückenfüllerin. Natürlich nicht im Forschungskolloquium des Historischen Seminars, in dessen Rahmen sie am 5. Dezember ihre wissenschaftlichen Recherchen vorstellen durfte, sondern in der Geschichtsschreibung. In ihrer Dissertation, die sie nächstes Jahr an der Universität Neuenburg fertigstellen wird, thematisiert Faas die Rolle von Frauen in der Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland (siehe Box).
 

Neue Aspekte in der Forschung

Mit ihrer Arbeit füllt die Assistentin am Lehrstuhl für Zeitgeschichte gleich mehrere Lücken. Zum einen diejenige der Novemberrevolution selbst, die zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik im Forschungskontext oft untergeht. Zum anderen wird die Revolution vor allem politisch analysiert, während sozialgeschichtliche Aspekte – wie beispielsweise die Rolle der Frauen – aussen vor bleiben.
 

«In der Wohnung befanden sich mehrere Kisten Handgranaten»

Inwiefern waren also spezifisch die Frauen zentral und bedeutsam im Umbruch Deutschlands zum Ende des Ersten Weltkrieges? Nachdem es im Oktober 1918 in Wilhelmshafen und Kiel zu einer Meuterei von Matrosen gekommen war, verbreitete sich die revolutionäre Bewegung innerhalb von wenigen Tagen auf ganz Deutschland. Zu dieser Zeit befanden sich viele Frauen in einer stabileren Lage als die Männer: Sie hatten während der Kriegszeit weitergearbeitet, waren finanziell unabhängig und besassen oftmals eine eigene Wohnung.

Briefarchive und Strafakten zeigen: Ebendiese Wohnungen stellten einige Frauen der Revolution in drei unterschiedlichen Funktionen zur Verfügung. Zunächst nutzten sie sie, um Waffen und Munition zu lagern. Daneben boten sie den Revolutionären einen Zufluchtsort. Und schliesslich dienten die Wohnungen der Frauen als eine Art «revolutionäre Salons». In diesen wurden sowohl praktische Fragen der Revolution als auch theoretische Aspekte wie die Zukunft Deutschlands diskutiert.

Leider sei wenig bekannt, worüber genau in den Salons gesprochen wurde. Faas untersucht derzeit, welche Netzwerke sich durch die revolutionären Tätigkeiten der Frauen und ihrer Salons in Berlin und München herausbildeten und wie sie organisiert wurden.
 

Revolutionärin oder Prostituierte?

Von einer frühen Form der Gleichberechtigung im Rahmen der Novemberrevolution möchte Faas indes nicht sprechen. Zu sehr wurden die Frauen von den Revolutionären hauptsächlich toleriert, statt als gleichberechtigte Mitstreiterinnen akzeptiert und respektiert zu werden. Flogen die Frauen auf, wurden sie nicht als Revolutionärin, sondern oft als «Prostituierte» bezeichnet, lebten sie doch als alleinstehende Frauen mit Männern zusammen. Ihnen wurde sodann unterstellt, aus Liebe oder Lust zu handeln, nie jedoch aus politischer Überzeugung. Dies konnte den Beschuldigten aber immerhin zugutekommen. Sagten sie nämlich vor Gericht aus, sie hätten nur für einen Mann gehandelt, kamen sie mit einer milderen Strafe davon, als wenn sie ihre politischen Gründe ausführten.

Insgesamt verdeutlicht die Arbeit von Faas die bislang unterbelichtete Rolle der Frauen in der Novemberrevolution in Deutschland, nämlich ihre aktive Teilnahme wie auch die gesellschaftlichen Vorurteile, mit denen sie konfrontiert waren. In der Diskussion des Forschungskolloquiums wird die Dissertation als ein wichtiger Schritt angesehen, um übersehene Beiträge der Frauen in diesem historischen Kontext zu würdigen.

Dieser Artikel wurde von Corinne Huwyler, Masterstudentin Geschichte und Politikwissenschaft, verfasst.

Die Novemberrevolution fand in der Endphase des ersten Weltkrieges 1918/1919 in Deutschland statt. Angesichts der aussichtlosen militärischen Lage und der grossen Zahl der Todesopfer breitete sich ein Aufstand aus, beginnend mit Meutereien durch die deutsche Marine. Die konstitutionelle Monarchie wurde gestürzt und von einer parlamentarisch-demokratischen Republik abgelöst: Aus dem Deutschen Reich wurde die Weimarer Republik.