Zeitzeugengespräch: Wie kann der Frieden im Kosovo gelingen?
Digitaler Unterricht schafft oftmals Distanz – kann aber auch verbinden: So war es möglich, dass sich an einer Onlinediskussion Gäste aus Priština, Belgrad und Bern mit Studierenden in der Schweiz zum Thema Friedensförderung im Kosovo unterhalten konnten.
“I’m a poet, so of course I’m an idealist.” Mit dieser Aussage beendet Blerina Rogova-Gaxha das zweistündige Zeitzeugengespräch. Die Autorin, Kolumnistin und Uni-Professorin nahm zusammen mit dem Soziologen und Journalisten Dario Hajrić sowie Georg Häsler Sansano, Journalist der NZZ und langjähriger Balkan-Berichterstatter, am Podiumsgespräch teil. Dieses fand im Rahmen des Blockseminars "Kosovo – der lange Weg zum Frieden. Konflikt, Krieg, Unabhängigkeit und seine Folgen" unter der Leitung von Dr. Kurt Gritsch am Historischen Seminar statt. Behandelte Leitfrage am 12. März: Wie kann Journalismus zur friedlichen Konflikttransformation im Kosovo beitragen?
Schädliche Narrative
Wieso braucht es etwas Idealismus in Bezug auf den Kosovo? Die Gesprächsteilnehmenden sind sich einig: Auch zwanzig Jahre nach dem Ende des Kosovokriegs werden auf serbischer und albanischer Seite nationalistische Narrative produziert, die einer positiven Verständigung der beiden Völker im Wege stehen.
Georg Häsler Sansano bedauert, dass sich die regierenden politischen Eliten auf dem Balkan weiterhin auf Stereotype beziehen und diese fördern würden. Als gegenwärtig positive Ausnahme erwähnt er den Kosovo, wo im Februar dieses Jahres Wahlen stattfanden, in denen sich die Bevölkerung des Kleinstaates für fortschrittliche Kräfte ausgesprochen hat.
Wie kann Journalismus Frieden fördern?
An Möglichkeiten, wie Journalismus zur friedlichen Konflikttransformation beitragen kann, mangelt es laut den Gästen nicht. Dario Hajrić will mit seiner Arbeit Fakten verbreiten und die Fühler über die nationalen Grenzen ausstrecken. Auch Blerina Rogova-Gaxha spricht davon, Wahrheit finden zu wollen. Weitere Verständigungsprozesse sieht sie vor allem über die Kultur, beispielsweise indem albanische Bücher auf Serbisch und serbische Bücher auf Albanisch übersetzt würden, was heute nicht der Fall sei. Und Georg Häsler Sansano meint, Medienschaffende hätten die Möglichkeit, mit Sachlichkeit eine Alternative zum Hass zu schaffen.
Versöhnung "von unten"
Die Gäste und auch Dr. Kurt Gritsch sind sich einig: Um einen langfristigen, stabilen Frieden auf dem Balkan zu erreichen, müssten nationale Narrative reflektiert werden. Und: Es gehe nicht hauptsächlich um die politischen Eliten. Im Zentrum stünden einfache Bürgerinnen und Bürger, die sich finden und positive Beziehungen zueinander aufbauen sollten.
Ein Beispiel: Der Verein "Bern ist überall", der das Podiumsgespräch zusammen mit der Universität Luzern überhaupt erst ermöglichte, organisiert 2022 die "wrong language Tour", die an verschiedenen Orten in der Schweiz und auf dem Balkan Halt machen wird. Die Idee: Albanische, serbische und schweizerische Kunstschaffende präsentieren ihre Werke – und immer spricht jemand aus der Gruppe eine Sprache, die am Auftrittsort nicht verstanden wird. Eine Bestrebung, die Versöhnung nicht nur für eine Idealistin, sondern auch für einen Realisten möglich zu machen.
Weitere Informationen:
Bern ist überall
Dieser Beitrag wurde von der Studentin Corinne Huwyler verfasst. Sie studiert Geschichte und Politikwissenschaft im Master.