Wenn Innovation auf Misstrauen stösst
«Technologieskepsis» – was ist das und welche Auswirkungen hat diese Art von Skepsis auf eine Gesellschaft? Diesen Fragen gehen Forschende im Rahmen eines vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderten Projekts nach. Untersucht werden Daten aus dem Kanton Graubünden im Zeitraum von 1900 bis 1940.
Wenn es um neue und innovative Technologien geht, sind häufig skeptische Stimmen aus der Gesellschaft zu hören. Beispiele dieser «Technologieskepsis» reichen von der Einführung mechanischer Webstühle und den ersten Automobilen bis hin zu künstlicher Intelligenz und neuartigen Impfstoffen. Oft wird argumentiert, dass technologischer Fortschritt soziale Veränderungen, Unsicherheit und eine Änderung der Lohnstruktur mit sich bringe, stellen die beiden Projektleiter Prof. Dr. Lukas Schmid von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern und Dr. Christian Ochsner vom Economics Institute «CERGE-EI» Prag fest. Allerdings sind Ursachen und Auswirkungen der Technologieskepsis bisher kaum empirisch erforscht. Hier setzt das Forschungsprojekt an und fokussiert auf den Schweizer Kanton Graubünden. Dies, weil sich dort im Zeitraum von 1900 bis 1940 einzigartige Ereignisse abgespielt haben, wie etwa ein langjähriges Automobilverbot, über das wiederholt abgestimmt und das 1925 plötzlich aufgehoben wurde.
Einfluss der Spanischen Grippe
Das Projekt untersucht Ursachen der Technologieskepsis und ihre Auswirkungen in wirtschaftlicher, gesundheitlicher und politischer Hinsicht. Im Zentrum steht die Analyse von «quasi-natürlichen» Experimenten. Dabei wird auf von der Natur generierte Zufälligkeiten zurückgegriffen. Ein solches Experiment stellt für die Forschenden die Betroffenheit der verschiedenen Bündner Gemeinden von der Spanischen Grippe (1918–1919) dar. Statistische Tests zeigen, dass die Betroffenheit (gemessen an der Sterberate) nicht mit beobachtbaren Grössen der Gemeinde (wie zum Beispiel der Anzahl Einwohnerinnen und Einwohner) zusammenhing. Deshalb bieten sich diese Daten im Nachhinein als quasi-natürliches Experiment an, um den Einfluss der Spanischen Grippe auf die Einstellungen zu Impfungen und auf das effektive Impfverhalten zu untersuchen. Dies erfolgt in einem ersten Teilprojekt.
Beginn der Automobil-Technologie
Im zweiten Teilprojekt soll die anfängliche Ablehnung und allmähliche Akzeptanz der Automobil-Technologie besser verstanden werden. Letztere gehört zu den einflussreichsten Technologien des 20. Jahrhunderts. Im dritten Teilprojekt nutzen die Forschenden die plötzliche Aufhebung des Automobilverbots im Jahr 1925, um den ursächlichen Effekt der Aufhebung eines Technologieverbots auf die regional-wirtschaftliche Entwicklung zu schätzen.
- Originaltitel des Projekts und Übertragung ins Deutsche: «Modern Times Without Us! Determinants and Effects of Technology Skepticism, Grisons 1900-1940» («Moderne Zeiten ohne uns! Determinanten und Auswirkungen der Technologieskepsis, Graubünden 1900-1940»)
- Leitung: Prof. Dr. Lukas Schmid, Ordentlicher Professor für Empirische Methoden (Universität Luzern), und Dr. Christian Ochsner (CERGE-EI Prag)
- Projektbeteiligte und Mitarbeitende: zwei Doktorierende (noch zu bestimmen)
- Projektdauer: 36 Monate
- Bewilligte Fördersumme des Schweizerischen Nationalfonds (SNF): CHF 301'000 (gerundet)