Sinergia: Lead erstmals bei der Universität Luzern
Der Nationalfonds hat das Projekt "In the Shadow of the Tree" bewilligt und dafür 2,92 Mio. Franken gesprochen. Geleitet wird die überinstitutionelle Forschung zu Verwandtschaftsdiagrammen von Marianne Sommer, Professorin für Kulturwissenschaften.
Das auf vier Jahre angelegte Projekt, das im Rahmen des Programms "Sinergia" gefördert wird (siehe unten), startet im kommenden Februar. Gemeinsam mit Professorin Marianne Sommer sind Simon Teuscher, Professor für die Geschichte des Mittelalters an der Universität Zürich, Caroline Arni, Professorin für Allgemeine Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Universität Basel, und Staffan Müller-Wille, Professor am Center for the Study of Life Sciences der Universität Exeter (GB), der zudem an der Universität Lübeck (DE) einen Honorary Chair innehat, mit je einem Team involviert.
An der Universität Luzern werden zwei Habilitations-/Postdoc-Stellen und eine Doktoratsstelle geschaffen. Eine Habilitationsstelle geht an Lea Pfäffli, die zurzeit noch Doktorandin an der ETH Zürich ist. Ruth Amstutz, angehende Masterabsolventin der Kulturwissenschaften, erhält die Promotionsstelle. Die zweite Postdoc-Stelle wird ausgeschrieben. Neben der Möglichkeit, eine Habilitation zu verfassen, wird diese Person auch die Koordination des gesamten Projekts übernehmen. An den Professuren der anderen beteiligten Universitäten sind im Rahmen des Verbundstudie "In the Shadow of the Tree: The Diagrammatics of Relatedness as Scientific, Scholarly, and Popular Practice", so der vollständige Titel, je zwei Doktoratsstellen finanziert.
Verwandtschaft als Diagramm
Die Analyse von Genomen hat in den letzten drei Jahrzehnten eine schnelle und umfassende Bestimmung der Abstammung und der Verwandtschaft zwischen Organismen, einschliesslich des Menschen, ermöglicht. Solche "Verwandtschaften" werden gerne in der Form von Baumdiagrammen wiedergegeben. Die heute geläufige Darstellung hat eine lange kultur- und wissenschaftsgeschichtliche Tradition. Sie war aber bei weitem nie der einzige Versuch, Verwandtschaftsbeziehungen zu visualisieren. Vielmehr wurde vom Mittelalter bis in die Gegenwart in Bereichen von Recht, Religion, Genealogie, Naturgeschichte, Biologie, Anthropologie, Psychiatrie bis Genetik und Eugenik mit linearen Anordnungen, Kreisen, Kegeln, Karten oder Netzwerken experimentiert.
Die Forschenden planen, Verwandtschaftsdiagramme aus verschiedenen Zeiträumen und Kontexten vergleichend zu analysieren. Zunächst geht es um Fragen der Herstellung: Wie wurden Daten gesammelt und wie wurde vermessen oder verrechnet? In einem weiteren Schritt steht die Frage im Zentrum, welche komplexen Prozesse, Hypothesen, Theorien und Technologien den Diagrammen zugrunde liegen. Und schliesslich geht es um epistemische, kulturelle und politische Zusammenhänge des Gebrauchs.
Um die Vielfalt an Bereichen, in denen Verwandtschaftsdiagramme zum Einsatz kommen, und deren gegenseitiger Beeinflussung erfassen zu können, wird im Projekt eine interdisziplinäre Diagrammatik entwickelt. Diagramme werden in diesem Rahmen als Experiment und als hybride Gebilde zwischen Denken und Handeln sowie Bild und Schrift verstanden.
"Grosse Chance für Forschungsstandort Luzern"
Beiträge im Rahmen des Förderinstruments Sinergia vergibt der Schweizerische Nationalfonds für kollaborative und interdisziplinäre Forschung mit Aussicht auf bahnbrechende Erkenntnisse. Die Universität Luzern war bereits an Sinergia-Projekten beteiligt, sie hatte jedoch bisher noch nie die Projektverantwortung inne ("Leading House"). Dazu sagt Alexander Trechsel, Prorektor Forschung: "Das Forschungsprojekt ist nicht nur für die Grundlagenforschung an der Schnittstelle zwischen Kulturwissenschaften und Geschichte sehr wichtig, sondern stellt auch eine anspruchsvolle Herausforderung und grosse Chance für den Forschungsstandort Luzern dar." Mit der Rolle als "Leading House" betrete die Universität Neuland, so Trechsel weiter; er freue sich sehr auf die damit verbundenen Erfahrungen und Erkenntnisgewinne. Wie der SNF heute mitteilte, wurden aktuell 19 Sinergia-Projekte bewilligt – die Erfolgsquote liegt, über alle Fachrichtungen hinweg, bei 23 Prozent. Die Höhe der Zusprachen an Fördergeldern bewegt sich diesmal im Durchschnitt bei 2,1 Mio. Franken pro Projekt.
Zurzeit ist Professor Michele Luminati, Ordinarius für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie, ins Projekt "Milan and Ticino (1796−1848). Shaping the Spaciality of a European Capital" involviert, das dieses Jahr gestartet ist und bis 2022 dauert. Kurz vor Abschluss steht das von Jon Mathieu, (mittlerweile emeritierter) Titularprofessor für Geschichte mit Schwerpunkt Neuzeit, betreute Projekt "Doing House and Family. Material Culture, Social Space, and Knowledge in Transition (1700−1850)", bei dem die Universität Bern den Lead hat. Zu den vergangenen Sinergia-Projekten, bei denen die Universität Luzern Forschungspartnerin war, zählen "Die Schweiz im Ersten Weltkrieg: Transnationale Perspektiven auf einen Kleinstaat im totalen Krieg" (Prof. Dr. Aram Mattioli), "Policy Evaluation in the Swiss Political System – Roots and Fruits" (Prof. Dr. Andreas Balthasar) und "Grundlagen guten Justizmanagments in der Schweiz" (Prof. Dr. Michele Luminati).