Religionslandschaft im Wandel – überraschend ohne Corona-Folgen

Die Religionslandschaft im Kanton Luzern verändert sich weiter. So entstehen etwa neue Freikirchen oder jüngst auch ukrainische Gemeinschaften. Wenn einzelne Gruppen ihre Tätigkeit beendeten, geschah dies meist nicht als Folge der Corona-Pandemie, wie das Religionswissenschaftliche Seminar der Universität Luzern feststellt.

Karte mit Standorten der Religionsgemeinsachaften auf Tablet
Die Karte des Projekts «Religionsvielfalt im Kanton Luzern» zeigt, wo Religionsgemeinschaften im Kanton angesiedelt sind (Bild: istock.com/gorodenkoff / Universität Luzern)

Mit dem Dokumentations- und Informationsprojekt «Religionsvielfalt im Kanton Luzern» (www.unilu.ch/rel-LU) erforscht das Religionswissenschaftliche Seminar seit 2002 die Vielfalt religiöser Gruppen, Gemeinschaften und Kirchen im Kanton. Nun liegen die ersten Ergebnisse der nunmehr fünften Aktualisierung vor. Das Team um Prof. Dr. Martin Baumann hat hierbei insbesondere viele privatrechtlich organisierte Religionsgemein­schaften kontaktiert und die Angaben zu ihnen auf der Projektwebseite bei Bedarf aktualisiert. Die Porträts zu den einzelnen Gemeinschaften skizzieren dabei jeweils die Entstehungs­geschichte, die angebotenen Aktivitäten und nennen Kontaktangaben sowie Hinweise auf weiterführende Informationen.

Vielfältiges Spektrum

Aktuell existieren im Kanton Luzern insgesamt 222 Kirchgemeinden und privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften. Die Mehrheit davon ist christlich, wobei 120 der katholischen Tradition angehören (98 Pfarreien und 22 «sonstige» Gruppen). Zum intern vielgestaltigen christlichen Spektrum gehören zudem die christkatholische Kirche, 32 reformierte und 31 freikirchliche Gemeinschaften sowie vier orthodoxe und sechs «weitere» Gemeinschaften. Auch das nicht-christliche Spektrum ist vielfältig. Im Kanton bestehen zwei jüdische, neun islamische, zehn buddhistische, vier hinduistische und drei «weitere» Religionsgemeinschaften. Diese religiöse Vielfalt mit Moscheen, Hindutempeln und buddhistischen Zentren findet sich insbesondere in der Stadt und Agglomeration Luzern.

Seit der letzten Aktualisierung 2017 sind in allen religiösen Traditionen ausser im Islam einzelne Gemein­schaften erloschen. Nicht länger bestehen kleinere buddhistische Gemeinschaften und überalterte Freundes- und Lesekreise um spirituelle Autoritäten wie Boris Lukács, Bruno Gröning und Jakob Lorber. Gleichzeitig sind neue Gemeinschaften entstanden, darunter etwa eine eritreische und weitere Freikirchen sowie ukrainische Gruppen.

Corona-Pandemie gut überstanden

Mit der Aktualisierung führte das Team zugleich erstmals eine kleine Umfrage unter den privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften durch. Dieser Teil des religiösen Spektrums ist wenig bekannt, während die Landeskirchen als Körperschaften öffentlichen Rechts ihre Aktivitäten regelmässig umfassend dokumentieren. Die Ergebnisse der Umfrage gewähren nicht nur einen Einblick in die personelle Situation, die Angebote für Mitglieder und externe Personen und weiteres. Sie zeigen etwa auch: Entgegen den Erwartungen lösten sich höchstens einzelne Luzerner Religionsgemeinschaften als direkte Folge der Pandemie auf. Hingegen geben erstaunlich viele, nämlich ein Drittel der antwortenden Gruppen, an, heute mehr Mitglieder und mehr Anwesende bei religiösen Feiern zu haben als vor der Corona-Epidemie. Dagegen berichten andere Gemeinschaften von keinen spürbaren Unterschieden, und nur wenige melden negative Auswirkungen, die sie etwa veranlasst hätten, Arbeitspensen oder das Angebot zu reduzieren oder gemietete Räume aufzugeben.

Unterschiede bei Begegnungsmöglichkeiten

Neben dem Kernangebot religiöser Feiern führen viele Religionsgemeinschaften auch soziale und freizeitliche Tätigkeiten durch. Auffällig ist, dass es vorwiegend islamische, buddhistische, hinduistische und jüdische Gruppen sind, die in ihren Räumlichkeiten Führungen anbieten. Diese gewähren Besuchern einen Einblick in die Gemeinschaft und ihre Religion. Freikirchliche Gemeinschaften hingegen bieten andere Begegnungsmöglichkeiten sowie Bibelstudien und Kurse zu Glaubensfragen und Eheangelegenheiten an. Nahezu die Hälfte aller Gemeinschaften gibt an, auf lokaler Ebene in sozialen, kulturellen oder interreligiösen Themen Begegnungen oder eine Zusammenarbeit mit anderen Organisationen oder mit Behörden zu pflegen. Des Weiteren spielen Religionsunterricht und persönliche Beratungsgespräche für Mitglieder besonders bei christlichen und muslimischen Religionsgemeinschaften eine zentrale Rolle.

Viel Freiwilligenarbeit

Insgesamt fällt der hohe Anteil an Freiwilligenarbeit auf: 41 Prozent der privatrechtlich organisierten Gemeinschaften geben an, dass regelmässig mehrere Personen freiwillig bei Angeboten wie religiösen Feiern, Religionsunterricht oder bei Reinigungs- und Verwaltungs­aufgaben mitarbeiten. Dieser Befund deckt sich mit anderen Studien und ist zum grössten Teil auf die beengten finanziellen Ressourcen zurückzuführen. Festanstellungen können sich unter den befragten Gruppen am ehesten einzelne Freikirchen leisten, bei den nicht-christlichen Religionsgemeinschaften überwiegen oft Teilzeitanstellungen. Insgesamt zeigt sich das Religionsspektrum in und um Luzern herum als bunt und vielfältig.

Die Aktualisierung des Projekts möglich gemacht haben Beiträge der Dienststelle Soziales und Gesellschaft im Gesundheits- und Sozialdepartement des Kantons Luzern, der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern, der Evangelisch-Reformierten Landeskirche des Kantons Luzern, der Katholischen Kirche Stadt Luzern sowie des fakultären Forschungsförderungsfonds der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern.

Kontakt für Fragen:
Prof. Dr. Martin Baumann, martin.baumann@unilu.ch, T:  +41 41 229 55 80
Dr. Andreas Tunger-Zanetti, andreas.tunger@unilu.ch,  T: +41 79 368 71 37