Queere Elternschaft: SNF-Beitrag für Forschung
Dr. Carole Ammann hat einen «Return CH Postdoc.Mobility»-Beitrag des SNF eingeworben. Damit kann sie ihre Forschung über Vaterschaft ab 2022 an der Universität Luzern fortsetzen, wobei sie sich nun auf queere, sich nicht als Frauen identifizierende Personen fokussiert.
Mit sogenannten Rückkehr-Beiträgen des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) werden Forschende dabei unterstützt, sich nach einem geförderten Forschungsaufenthalt im Ausland wieder am Wissenschaftsstandort Schweiz zu integrieren. Carole Ammann konnte sich eines von aktuell 18 solchen vergebenen Stipendien sichern und wird damit ab 2022 ihr Projekt «Parenting among Queer, Non-Female Identifying Persons in Switzerland and the Netherlands» am Ethnologischen Seminar der Universität Luzern durchführen. Bis dahin arbeitet sie an der Universität von Amsterdam an ihrem zweijährigen, ebenfalls vom SNF unterstützten Projekt «Doing Fatherhood in the 21st Century. Connecting the Global North and the Global South».
Im Alltag gelebte Elternschaft
Neue Gesetze betreffend Familie, Heirat, Partnerschaft und neuer Reproduktionstechniken haben die Anzahl sogenannter Regenbogen-Eltern (lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Personen; LSBTIQ+) sowohl in der Schweiz als auch den Niederlanden in den letzten Jahren ansteigen lassen. Damit geht auch die Diskussion einher, welche Formen biologischer und sozialer Elternschaft erwünscht oder erlaubt sind.
In ihrem Luzerner Forschungsprojekt wird sich Carole Ammann aus sozialanthropologischer Sicht mit dem Thema Elternschaft bei Personen beschäftigen, die sich nicht als Frauen identifizieren und keine heterosexuelle Beziehung führen. Dabei geht sie der Frage nach, wie diese Personen das Elternsein in einer primär zweigeschlechtlich, heteronormativ orientierten Welt im Alltag erleben und wie sie mit sozialen Erwartungen umgehen, denen sie täglich begegnen. Weiter möchte sie herausfinden, wie in diesem Kontext Elternschaft verstanden und gelebt wird und welche neuen Elternschaftspraktiken dabei entstehen.
Mit ihrem Projekt rückt Ammann eine von der Forschung bisher wenig beachtete Personengruppe in den Fokus. Weitaus mehr Beachtung wurde bisher Themen wie Leihmutterschaft oder den Auswirkungen von LSBTIQ+-Elternschaft auf Kinder beigemessen. Auch darüber, wie queere Elternschaft im Alltag gelebt wird, gibt es bisher wenig anthropologische Literatur.
Niederlande als Vorreiter
Als erstes Land in Europa haben die Niederlande 2001 die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. Auch die niederländische Bevölkerung sieht Toleranz und Offenheit in vielen Bereichen, unter anderem bei LSBTIQ+-Rechten, als Teil ihrer Identität an. Auf den zweiten Blick gestaltet sich die Sache etwas komplexer: So existiert Ammann zufolge etwa ein relativ grosser Stadt-Land-Graben; auch sei die Akzeptanz gegenüber Regenbogenfamilien in den sogenannten «Bible Belt»-Gegenden gering. Weiter werde etwa an den historisch bedingt religiös geprägten Schulen darüber diskutiert, welche Werte und Familienbilder vermittelt werden dürfen bzw. was als Familie gelten darf und was nicht. Momentan herrsche in weiten Teilen der Bevölkerung die Meinung vor, dass die Niederlande ihre vormalige Vorreiter-Rolle bezüglich LSBTIQ+-Rechten eingebüsst hätten.
Hierzulande wird am 26. September über die «Ehe für alle» abgestimmt. Dass dieser Schritt so viel später als in den Niederlanden erwogen wird, führt Ammann teils auf die wertkonservative Gesellschaft und den relativ langsamen politischen Prozess in der Schweiz zurück. Auch gebe es hier wohl ebenfalls einen Stadt-Land-Unterschied. Dem Schweizer Teil ihrer Studie wird sich Carole Ammann ab dem kommenden Januar von Luzern aus widmen. Die Datenerhebung dafür erfolgt mittels biografischen, narrativen und themenzentrierten Interviews, Beobachtungen sowie der Analyse von Diskussionen in verschiedenen (Online-)Medien. Die Laufzeit der SNF-Förderung beträgt zwölf Monate; mit dem Beitrag sind das Salär und die Forschungsmittel abgedeckt.