Öffentliche Meinung treibt Klimapolitik voran
Um die Jahrtausendwende traten in demokratisch regierten Ländern viele Massnahmen zum Klimaschutz in Kraft. Auch wegen Forderungen aus dem Volk, wie eine Studie unter Beteiligung der Universität Luzern zeigt.
In einer Demokratie sollte die Bevölkerung theoretisch über die Politik mitbestimmen dürfen. Dass dies in der Klimapolitik in den Jahren 1995 bis 2010 tatsächlich der Fall war, haben Forschende der Universität Luzern und der ETH Zürich in einer vom Schweizerischen Nationalfonds SNF unterstützten Studie nun ermittelt. «Die damalige Volksmeinung zur Klimapolitik war bisher ein blinder Fleck», zitiert der SNF in einer Mitteilung zu den Ergebnissen der Studie Lena Maria Schaffer, Assistenzprofessorin für Politikwissenschaft an der Universität Luzern. «Zwar gab es bereits grüne Parteien, aber das Thema hatte noch keine so grosse Bedeutung, deshalb gibt es aus dieser Zeit praktisch keine Daten aus Umfragen dazu.»
Die Forschenden rekonstruierten die Einstellung der Bevölkerung zum Klimaschutz in den Jahren 1995 bis 2010 deswegen mit Hilfe einer aufwändigen Methode: Sie durchforsteten die Zeitungsarchive in den sechs demokratisch regierten Ländern Schweiz, Deutschland, Spanien, Italien, USA und Kanada und analysierten die Berichterstattung zu klimapolitischen Themenbereichen wie Transport und Energieversorgung. Dabei unterschieden sie zwischen Forderungen für mehr Klimaschutz, für den Erhalt des Status Quo und für weniger Klimaschutz. Forderungen von Regierungsmitgliedern wurden hierbei nicht mitgezählt. Wie viele Studien zeigen, betrachten Politiker und Politikerinnen die publizierten Meinungen in Qualitätsmedien als äquivalent mit der öffentlichen Meinung und richten sich danach.
Die Häufigkeit und die Stossrichtung der Medienberichte verglichen sie dann mit politischen Massnahmen zum Klimaschutz in den jeweiligen Ländern. «Dabei sehen wir eine klare Kopplung. Ein Mehr an öffentlicher Nachfrage führt tatsächlich auch zu einem Mehr an Klimapolitik», so Schaffer. Dies gelte auch für die Regulierung einzelner Teilbereiche der Klimapolitik wie Energieversorgung, Transport, Gebäude und Haushaltsgeräte.
Für Schaffer werfen die Resultate ein positives Licht auf die demokratische Mitbestimmung. Als Beispiel nennt sie die Einführung der CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe in der Schweiz im Jahr 2008. Zuvor waren in den Jahren 2005 bis 2007 gehäuft Artikel zum Klimaschutz in den Zeitungen aufgetaucht. Zwar sinke das öffentliche Interesse nach der politischen Umsetzung in einer Art Thermostat-Effekt kurzzeitig ab, ziehe dann aber schnell wieder an: «Die Bevölkerung gibt sich nicht mit einem Gesetz pro Bereich der Klimapolitik zufrieden, sondern fordert von ihren gewählten Vertreterinnen und Vertretern immer mehr.»
Quelle: SNF-News vom 30. August 2021