Konsumentenschutz oder Klageindustrie?
Philipp Anton Burri untersucht die Rolle der Prozessfinanzierung im kollektiven Rechtsschutz. Dafür erhält er einen Doc.CH-Beitrag des Schweizerischen Nationalfonds (SNF).
Für eine Einzelperson lohnt sich eine Klage gegen ein Unternehmen wegen der hohen Kosten und des Aufwandes oft nicht. In der Folge werden Schaden verursachende Unternehmen zivilrechtlich regelmässig nicht zur Rechenschaft gezogen. Der kollektive Rechtsschutz ist ein Instrument, das einer Vielzahl geschädigter Konsumentinnen und Konsumenten den Zugang zum Gericht erleichtern soll, indem in einem einzigen Verfahren über die Ansprüche vieler Klagender entschieden wird und so Gerichtskosten und Honorar für die Anwältinnen und Anwälte geteilt und eingespart werden. Prozessfinanzierer können sich an diesen aufwändigen und teuren Prozessen beteiligen und im Erfolgsfall der Klage einen Anteil der an die Klagenden ausbezahlten Summen erhalten. Während in den USA mittels Sammelklagen hohe Schadenersatzzahlungen erwirkt werden konnten, sollen Sammelklagen in der EU und in der Schweiz erst noch eingeführt werden.
Regulierung von Prozessfinanzierung
Für Prozessfinanzierer bestehen monetäre Anreize, Sammelklagen zu unterstützen und so den Rechtsschutz für Konsumentinnen und Konsumenten zu verbessern. Es stellt sich aber die Frage, ob dabei das Profitmotiv statt Konsumentenschutz zum Leitgedanken solcher Verfahren werden kann. In seiner Dissertation mit dem Arbeitstitel "Third-Party Funding of Collective Redress. A Law and Economics Perspective" will Philipp Anton Burri die Frage klären, ob und inwiefern die Prozessfinanzierung im kollektiven Rechtsschutz besonders reguliert werden sollte. Für das von Prof Dr. Klaus Mathis betreute Projekt soll die Thematik aus rechtlicher und ökonomischer Perspektive beleuchtet werden. Es werden mögliche regulatorische Massnahmen wie Verbote, Preisregulierung, Einschränkungen der Einflussnahme auf die Verfahren, Offenlegungspflichten, Kapitalvorschriften sowie die Regelung der Verteilung von Gerichtskosten untersucht. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes können als Grundlage für die mögliche Einführung von Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes in der Schweiz dienen.
Expertise aus den Niederlanden
Im Rahmen des Projekts ist ein mehrmonatiger Aufenthalt an der Universität Rotterdam in den Niederlanden geplant. Die niederländische Rechtsordnung kennt bereits gewisse Formen des kollektiven Rechtsschutzes, und es gibt erste Erfahrungen mit der Finanzierung solcher Verfahren durch Prozessfinanzierer. Durch die EU-Mitgliedschaft der Niederlande lassen sich darüber hinaus Erkenntnisse zur EU-Regulierung gewinnen.
Für das Projekt erhält Philipp Anton Burri einen Doc.CH-Beitrag des SNF, der jungen Forschenden in der Schweiz ermöglicht, eine Dissertation zu einem selbstgewählten Thema zu verfassen. Mit der gesprochenen Fördersumme von 258'000 Franken werden der Lohn sowie die Projektkosten für die Dauer von 48 Monaten finanziert. An der Universität Luzern konnte bei derselben Ausschreibung ein weiterer Doc.CH-Beitrag eingeworben werden.