Hans-Werner Sinn über "klimapolitische Illusionen"
Die fossilen Brennträger müssen im Boden bleiben, wenn man das Klimaproblem lösen will: Das postulierte Hans-Werner Sinn, ständiger Gastprofessor an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, gestern an einem Vortrag.
"Der Klimawandel ist echt", stellte Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn direkt zu Beginn klar. Gerade bei sommerlich schwülem Wetter sei der Treibhauseffekt mit angenehmen Temperaturen in der Höhe der Alpen direkt erleb- und spürbar. Aktuell verbrauche die Menschheit klar zu viel des "natürlichen Kapitals" zu Lasten zukünftiger Generationen. Die politische Reaktion darauf sei allerdings von klimapolitischen Illusionen geprägt, so der Ökonom an einem öffentlichen Anlass, der am 21. Juni in der Villa St. Charles in Meggen stattfand.
Sinn argumentierte, dass die Förderung erneuerbarer Energien die Treibhausgas-Emissionen nicht reduzieren kann, weil dadurch im EU-Emissionshandelssystem Zertifikate frei werden, die andernorts zu Mehremissionen führten. Selbst wenn Europa seine Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zurückfährt, verringert sich dadurch keinesfalls das weltweite Angebot an Öl, Gas und Kohle. Im Gegenteil: Dadurch sehen sich die Besitzer fossiler Energieträger gezwungen, fossile Ressourcen möglichst schnell zu Geld zu machen. Genau hier sieht Professor Sinn denn auch die einzig mögliche Lösung des Klimaproblems, nämlich dafür zu sorgen, dass die fossilen Energieträger im Boden bleiben.
Spannende Diskussion
Neben Hans-Werner Sinn referierten Botschafter Dr. Eric Scheidegger, stellvertretender Direktor des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), und Dr. Urs Meister, Leiter Markets & Products beim Berner Energie- und Infrastrukturunternehmen BKW; die beiden beleuchteten das Thema aus Schweizer Sicht. Im anschliessenden Podiumsgespräch – moderiert von Prof. Dr. Karl Hofstetter, Mitglied des Universitätsrats und Präsident von SwissHoldings, dem Verband der multinationalen Konzerne in der Schweiz – diskutierten die Referenten über den richtigen Weg in der Zukunft.
Sind dies grundlegende Steuerreformen oder ein globaler Emissionshandel nach dem Vorbild des Kyoto-Abkommens? Die Antworten fielen unterschiedlich aus. Angesichts des "Freerider-Problems" dürfte ein beispielhaftes Vorangehen einzelner Staaten jedoch kaum positive Effekte zeigen. Einig hingegen waren sich die drei Referenten darin, dass eine genaue Vorhersage über die zukünftige Entwicklung des überaus komplexen Klimasystems ebenfalls illusorisch ist. Auch sollte die Atomkraft gemäss den Referenten als klimafreundliche und stabile Stromversorgungstechnologie keinesfalls frühzeitig abgeschrieben werden. So sei beispielsweise Schweden vom Atomausstieg bereits wieder ausgestiegen.
Studierende im Mittelpunkt
Die "St. Charles Konferenz in Public Policy" fand zum zweiten Mal statt. Am Vormittag hatte Professor Hans-Werner Sinn mit ausgewählten Wirtschaftsstudierenden über Reformvorschläge für die Europäische Währungsunion diskutiert. Er ist seit 2016 ständiger Gastprofessor an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern.