Gesundheitswissenschaften und Medizin: neue Ära startet
Vom Departement zur Fakultät: für Prof. Dr. Stefan Boes ein «Meilenstein». Der Gründungsdekan möchte den eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolgen – und darf in diesem Jahr die ersten Medizin-Diplome vergeben.
Stefan Boes, vom kantonalen Parlament bewilligt, ist das Departement Gesundheitswissenschaften und Medizin seit heute eine Fakultät – ein Grund zum Feiern!
Stefan Boes*: Ja, das ist für uns ein Meilenstein. Als ich vor zehn Jahren an der Universität begonnen habe, waren wir im damaligen Seminar für Gesundheitswissenschaften an der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät verortet. Dort konnten wir zunächst unser Doktoratsprogramm und anschliessend den Master in Gesundheitswissenschaften entwickeln. Nachdem sich das Angebot eines gemeinsamen Masters in Medizin mit der Universität Zürich abzeichnete, hat die Universitätsleitung entschieden, uns den Status eines Departements zu verleihen. Als Fakultät für Gesundheitswissenschaften und Medizin sind wir jetzt nicht nur thematisch, sondern auch organisatorisch vollkommen eingebettet in unserer humanwissenschaftlich ausgerichteten Universität. Das macht uns auch gegenüber aussen sichtbarer und attraktiver, was der gesamten Universität zugutekommt.
Die Kombination von Gesundheitswissenschaften und Medizin wird als einmalig bezeichnet. Was macht die Fakultät so speziell, worin liegt ihr Nutzen für die Gesellschaft?
In der Tat, die Kombination von Gesundheitswissenschaften und Medizin zeichnet uns national und international aus. Wir vertreten eine ganzheitliche Perspektive von Gesundheit, das heisst, wir beforschen die Gesundheitsbedürfnisse des Einzelnen und wie die Gesellschaft zum Beispiel mit dem Gesundheitssystem, dem Bildungs- und Sozialsystem und der medizinischen Versorgung am besten auf diese Bedürfnisse eingehen kann. Dabei gehen wir von einem breiteren Verständnis von Gesundheit aus, das über Krankheit und Gebrechen hinaus die gelebte Gesundheitserfahrung und die Funktionsfähigkeit der Menschen untersucht. Dieses Verständnis spiegelt sich in unserer Forschung, aber auch in unseren Studienprogrammen wider.
Was heisst das jetzt genau?
Ein Beispiel: Nehmen Sie einen Skiunfall mit einer schwerwiegenderen Verletzung. Da ist einerseits die direkte medizinische Versorgung, damit der betroffenen Person rasch geholfen werden kann. Innerhalb von wenigen Minuten ist in der Schweiz eine Erstversorgung vor Ort. Und je nach Situation kann schon 15 bis 20 Minuten nach dem Unfall der Rettungshelikopter mit professionellen Einsatzkräften im Skigebiet sein. Ist das nicht ein Beweis dafür, wie gut unser Gesundheitssystem funktioniert? Andererseits stellen sich in einem solchen Kontext sofort eine ganze Reihe von Anschlussfragen: Was passiert mit der Person nach der Akutversorgung im Spital? Gibt es längerfristige gesundheitliche Einschränkungen? Kann er oder sie wieder zurück an den Arbeitsplatz? In welcher Kapazität oder Funktion? Was passiert im familiären Umfeld? Braucht es Anpassungen beispielsweise in der Wohnsituation? Was waren die Ursachen für den Skiunfall? Risikoreiches Verhalten? Oder mangelnde Sicherung im Skigebiet? Und wie kann man dies künftig vermeiden? Und wer trägt die Kosten für die Versorgung, akut und rehabilitativ? Dies sind klassische Fragen der Gesundheitswissenschaften, mit denen wir uns interdisziplinär auseinandersetzen.
Und wie geht es weiter? Was ist in Zukunft von Ihrer Fakultät zu erwarten?
Unser Ziel ist es, dass wir mit unserer Forschung und unseren Bildungsangeboten einen Mehrwert für das Schweizer Gesundheitssystem schaffen und zum Wohle der Gesellschaft beitragen. In der Lehre betrifft dies einerseits unsere gesundheitswissenschaftlichen Studiengänge, in denen wir unsere Schwerpunkte etwa mit Themen aus den Bereichen Digitalisierung und «Health Data Science» weiter schärfen möchten. Anderseits läuft der Joint Master Medizin nun schon mit der dritten Kohorte, diesen Herbst schliessen die ersten Medizinstudierenden bei uns ab. Im Rahmen dieser Ausbildung kommt zum Beispiel dem Thema Interprofessionalität – also die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen – ein grosses Gewicht zu, womit wir direkt auch die Grundversorgung im Kanton Luzern und der Zentralschweiz stärken möchten.
Diesbezüglich kommen auch die an der Fakultät angesiedelten Zentren zum Zug …
Ja, genau, das «Zentrum für Hausarztmedizin und Community Care» spielt eine wichtige Rolle, aber auch unsere beiden anderen Zentren, das «Center for Health, Policy, and Economics» und das «Center for Rehabilitation in Global Health Systems», beschäftigen sich direkt und indirekt mit Themen der Grundversorgung, zum Beispiel im Bereich Rehabilitation und gesundes Altern oder im Bereich Finanzierung und Tarifsysteme, die gerade bei Ansätzen einer integrierten Versorgung, wo also die verschiedenen Bereiche bestmöglich ineinandergreifen sollen, noch wenig entwickelt sind. Diese Themen und noch viele andere Fragestellungen aus dem Gesundheitswesen werden uns auch in Zukunft beschäftigen. Hier ist unser Ziel, innovative Forschung zu betreiben und neues Wissen nahe an der Basis bzw. der Praxis zu generieren und nutzbar zu machen, wozu neben der Einwerbung von Drittmitteln und der Nachwuchsförderung auch der Wissenstransfer zählt.
* Stefan Boes, Professor für Gesundheitsökonomie und Direktor des Center for Health, Policy, and Economics (CHPE), amtet als Gründungsdekan der Fakultät für Gesundheitswissenschaften und Medizin (Newsmeldung zur Wahl).
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