Erste «Eccellenza»-Assistenzprofessur an der Universität Luzern
Dr. Nadir Weber erforscht ab Mitte 2022 am Historischen Seminar das Spannungsfeld von Öffentlichkeit und Diskretion im frühneuzeitlichen Europa. Sein Projekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds mit gesamthaft 1,56 Mio. gefördert.
Treffen in der Verborgenheit, Verhandlungen hinter verschlossenen Türen und heimliche getroffene Absprachen gehörten schon immer zu politischen Prozessen. Der Umgang mit Geheimnissen in der Öffentlichkeit hat sich im Verlauf der Jahrhunderte unbestritten verändert. Oft wird angenommen, dass es bezüglich des Umgangs der herrschenden Eliten mit Geheimnissen zwischen vormodernem Absolutismus und der modernen Demokratie einen fundamentalen Unterschied gebe. Der Historiker Dr. Nadir Weber möchte in seiner Forschung unter anderem der Frage nachgehen, ob dies effektiv zutrifft.
Hochkompetitives Instrument
Finanziert wird sein Projekt «Republican Secrets. Silence, Memory, and Collective Rule in the Early Modern Period» über das 2018 eingeführte Karriere-Förderinstrument «Eccellenza Professorial Fellowship» des Schweizerischen Nationalfonds (SNF). Der Rahmen ist hochkompetitiv – von den 244 in diesem Jahr eingereichten Projekten werden 32 gefördert. Es handelt sich um die Nachfolge der zuvor vergebenen Förderprofessuren. Solche gab bzw. gibt es bislang elf an der Universität Luzern; Nadir Weber ist nun der erste Wissenschaftler im neuen Fördergefäss. Mit «Eccellenza» werden hervorragende Forschende unterstützt, die sich auf dem Weg zu einer unbefristeten Professur befinden. Dies, indem sie auf Stufe Assistenzprofessur ein unabhängiges Projekt und ein Team leiten können.
Webers Studie ist mit rund 1,56 Mio. Franken dotiert. Fünf Jahre lang wird er ab Sommer 2022 zusammen mit zwei Doktorierenden an der Universität Luzern die skizzierte Forschungsfrage bearbeiten. Eines der Dissertationsprojekte widmet sich «geheimen Räten», das zweite Praktiken des Archivierens. Ergänzt wird das Team schliesslich mit zwei Hilfsassistierenden, die das Projekt unter anderem beim Aufbau einer historischen Personendatenbank unterstützen werden.
Praktiken und ihre Funktionen
Die Grundannahme Webers ist, dass Geheimhaltung in der frühen Neuzeit aus einer Reihe von Praktiken bestand, welche die Kommunikation strukturierten und vielfältigen Zielen dienen konnten. Die Praktiken wurden laufend modifiziert – nicht zuletzt, weil sich auch das Mediensystem parallel weiterentwickelte sowie die Normen der kollektiven Entscheidungsfindung. Analysiert wird sowohl die Entwicklung in der Schweizerischen Eidgenossenschaft wie auch in einer vergleichenden Perspektive jene in Europa. So soll das Projekt das Verständnis der politischen Kultur frühneuzeitlicher Republiken fördern mit einem besonderen Augenmerk auf die Herausbildung von Geheimhaltungsinstitutionen, die teilweise auch in der modernen Demokratie fortleben.
«Bei der Entscheidung, das Projekt an der Universität Luzern anzusiedeln, haben die attraktiven Möglichkeit, mich mit einschlägigen Spezialistinnen und Spezialisten über die Epochen- und Disziplinengrenzen hinweg austauschen zu können, eine wichtige Rolle gespielt», sagt Nadir Weber. Auch die lokal verfügbaren Archive, in denen wichtige Quellen für das Projekt lagern, hätten für Luzern gesprochen.
Von Falken zu Republiken
Zurzeit leitet Weber an der Universität Bern das SNF-«Ambizione»-Projekt «Falken in der Höfischen Gesellschaft», das am dortigen Historischen Institut verortet ist. Zu seinen Forschungsinteressen gehören Aussenbeziehungen und Herrschaftspraxis im 17. und 18. Jahrhundert, politische Sprache und Kultur frühneuzeitlicher Republiken sowie Mensch-Tier-Beziehungen in der Frühen Neuzeit und die der Eidgenossenschaft, Frankreichs sowie der preussischen Monarchie.
Studiert hatte Weber Geschichte und Soziologie in Bern und Paris, 2013 promovierte er dann nach verschiedenen Forschungsaufenthalten ebenfalls in Bern, wo er danach in verschiedenen Positionen wieder tätig war. Mehrfach forschte er an verschiedenen Institutionen in Paris, als «Early Postdoc.Mobility»-Stipendiat war er zudem in München tätig, als Postdoctoral Fellow an der Universität Konstanz. An der Université de Lausanne übernahm er im akademischen Jahr 2018/2019 die Vertretung von Prof. Dr. Béla Kapossy. Sein Profil wird durch ein CAS in Hochschullehre abgerundet.