DIES JUDAICUS am 5. März 2023: Das Projekt Doppeltür in Lengnau wird wahr
In Lengnau und Endingen ist jüdisches Leben seit Beginn des 17. Jahrhunderts belegt. Bis ins 19. Jahrhundert waren die beiden Gemeinden im aargauischen Surbtal (in der Nähe von Baden) die einzigen Orte der alten Eidgenossenschaft, wo sich Jüdinnen und Juden niederlassen durften. Der Landvogt in Baden regelte die Niederlassungsbedingungen, und das Aufenthaltsrecht musste jeweils für sechzehn Jahre erneuert werden.
Aber die Bedingungen waren streng: keine Ausübung eines Handwerks, kein Landkauf, kein Hausbesitz. In Gemeinde und im religiösen Leben erhielten die Jüdinnen und Juden weitgehende Autonomie. Christinnen und Christen lebten gemeinsam mit der jüdischen Dorfbevölkerung in diesen beiden Gemeinden.
Haus mit Doppeltür
Es entstand in beiden Gemeinden der Haustyp mit der Doppeltür, der sich zu einem Sinnbild für das Zusammenleben in der vielfältigen Gesellschaft entwickelte. Der Sinn der Wohnform der Doppeltür-Häuser ist zwar historisch strittig. Aber mit diesem Symbol wurde 2017 der Verein Doppeltür gegründet, der in Lengnau ein Begegnungszentrum errichten wird. Bereits seit 2009 besteht der jüdische Kulturweg, der die beiden Dörfer Endingen und Lengnau verbindet und den bedeutenden jüdischen Friedhof miteinschliesst. Seit kurzem gehört der Jüdische Kulturweg zum immateriellen Kulturerbe der Schweiz und steht auf der UNESCO-Liste der „lebendigen Traiditionen“. 2018 konnte das Haus am Spycherweg 2 am Lengnauer Dorfplatz vom Verein gekauft werden. 2022 wurde die Stiftung Doppeltür errichtet, und im gleichen Jahr war es möglich, das rituelle Tauchbad, die Mikwe, in Endingen zu kaufen.
Begegnungszentrum
In diesem gekauften Doppeltür-Haus in Lengnau soll ein Begegnungszentrum errichtet werden, damit mittels einer modernen Inszenierung die schweizweit einzigartige Geschichte des jüdisch-christlichen Zusammenlebens vermittelt werden kann. Keine vergleichbare Institution in ganz Europa befasst sich mit einer solchen Idee, die in den kommenden zwei Jahren realisiert werden kann. Es will eine Begegnungsstätte für die Auseinandersetzung mit dem Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlicher Herkunft sowie für die Begegnung mit der Geschichte an den originalen Schauplätzen sein. Das Begegnungszentrum steht ideal am Dorfplatz von Lengnau, in unmittelbarer Nähe zur Synagoge und zu Mikwe. Das Haus wird das eigentliche Herzstück von Doppeltür werden.
Das jetzt zu realisierende Projekt Doppeltür richtet sich an ein breites Publikum aus der ganzen Schweiz. Mit den unterschiedlichen Themen sollen Individualbesucherinnen und – besucher angesprochen werden. Entscheidend wichtig ist das junge Publikum (Familien und Schulklassen), und man plant ein eigentliches Schulprogramm für Schülerinnen und Schüler ab den oberen Klassen. Das Projekt wird vom Bundesamt für Kultur unterstützt, seit drei Jahren gehört es zu den kulturellen Zielsetzungen des Kantons Aargau.
Offen für alle
Das Ausstellungskonzept setzt sich aus vier Teilen der Vermittlung zusammen: Einführung in die historische Situation des Surbtales, um in die Welt der Gegenwart hinüberzuführen. Ein weiterer Teil soll der Selbsterfahrung dienen, in welchem sich die Besucher/innen in mehreren Themenbereichen mit persönlichen Fragen des Zusammenlebens und des gegenseitigen Respekts auseinandersetzen können. Der vierte Teil des Konzepts umfasst den Jüdischen Kulturweg und die Umgebung in den Dörfern Lengnau und Endingen. Dazu gehören die historischen Doppeltürhäuser, die beiden Synagogen, die beiden Mikwen und der jüdische Friedhof.
Das Begegnungszentrum Doppeltür soll explizit für Schulen, Workshops und Veranstaltungen offenstehen. Neben dem permanenten Vermittungsangebot sind spezielle Schulmodelle geplant, die mit der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz geplant, entwickelt und erprobt werden.
2023 soll die Realisierung des Baus erfolgen. Die Ausstellung soll aufgebaut werden können. Mit der offiziellen Eröffnung des Begegnungszentrums ist 2024 zu rechnen.
Jüdisch/Römisch-katholische Gesprächskommission (JRGK): Ein Beitrag zum „Tag des Judentums“ am Zweiten Fastensonntag, 5. März 2023.
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