Aktuelle Entwicklung im internationalen Wolfsschutz
In diesen Wochen wurde der internationale Rechtsrahmen betreffend Wolfsschutz gleich dreifach aufgegriffen.
Zunächst hat das Europäische Parlament letzte Woche einen viel beachteten Entschliessungsantrag (mit 306 gegen 225 Stimmen bei 25 Enthaltungen) «zum Schutz der Viehwirtschaft und der Grossraubtiere in Europa» angenommen, in dem die Europäische Kommission aufgefordert wird, insbesondere angesichts der stark steigenden Zahl von Wölfen und der naturwissenschaftlichen Einstufung als am wenigstens gefährdete Art durch die Internationale Naturschutzunion (IUCN) die Anhänge des einschlägigen EU-Artenschutzrechts (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) entsprechend anzupassen und den Schutzstatus des Wolfs zu senken. Ausserdem wird der Schweizer Antrag auf Herabstufung des Wolfs von Anhang II («streng geschützt») in Anhang III («geschützt») im Rahmen der Berner Konvention ausdrücklich unterstützt. Dieser Entschliessungsantrag des Parlaments ist rechtlich nicht verbindlich. Es wird sich erst zeigen, inwiefern damit Handlungsdruck auf die EU-Umweltbehörden ausgeübt werden kann.
Dem erwähnten Antrag der Schweiz bei der Berner Konvention hat der Ständige Ausschuss allerdings gestern Dienstag eine (dem Vernehmen nach deutliche) Abfuhr erteilt. So hatte die EU bereits im Vorfeld die Umweltvertreter ihrer Mitgliedstaaten zu einer Ablehnung vergattert und damit diesen Entscheid vorgespurt (gemäss Spezialregelung der Berner Konvention stimmt die EU mit 27 Stimmen ab, während den einzelnen Mitgliedstaaten kein Stimmrecht mehr zukommt). Damit ist die Eidgenossenschaft nach 2006 (Rückstufung) und 2012 (nachträgliche Anbringung eines Vorbehalts) bereits zum dritten Mal auf völkerrechtlicher Ebene gescheitert. Bereits wird von den Naturschutzverbänden gefordert, dass dieser Entscheid Auswirkungen auf die für nächste Woche geplante Debatte im Nationalrat zur Revision der Jagdgesetzgebung (Stichwort präventive Entnahmen) haben müsse. Spannend bleibt auch, ob der Bundesrat nach dieser Abfuhr nun seiner seit 2012 bestehenden parlamentarischen Verpflichtung nachkommt und die Kündigung der Schweizer Mitgliedschaft bei der Berner Konvention in die Wege leitet.
Ein dritter Punkt, der bisher kaum wahrgenommen wurde, ist allerdings noch offen. Dem Land Tirol ist es im September gelungen über das Tiroler Landesverwaltungsgericht eine entscheidende Frage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig zu machen. Da sich viele EU-Mitgliedstaaten in der Form von – sich so auch in der Berner Konvention findenden – Vorbehalten Ausnahmen vom strengen Wolfsschutz gesichert haben, wurde die Frage gestellt, ob dies nicht der rechtlich verbrieften Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen (Art. 4 Abs. 2 EUV) widerspricht und eine unsachliche und damit unzulässige Differenzierung zwischen den Mitgliedstaaten darstellt. Der EuGH wird in ca. einem Jahr darüber befinden. Teilt er die Tiroler Bedenken, dann wird die Europäische Kommission den Schutzstatus des Wolfs im EU-Recht neu ordnen müssen, was nur im Gleichklang mit dem übergeordneten Recht der Berner Konvention geht und damit wiederum auch für die Schweiz relevant wäre.