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Neuberufen: Christian M. Rutishauser SJ im Gespräch

Seit hundert Tagen ist Christian M. Rutishauser SJ Professor für Judaistik und Theologie an der Theologischen Fakultät. Im Interview berichtet er, wie er seinen Start in Luzern erlebt hat und was ihn in Lehre und Forschung beschäftigt.

Prof. Dr. Christian M. Rutishauser SJ

Christian Rutishauser, wie haben Sie sich an der Universität eingelebt? 
Christian M. Rutishauser SJ: Danke, sehr gut. Die Hilfsbereitschaft im eigenen Institut für Jüdisch-Christliche Forschung, vom Dekanat der Theologischen Fakultät aber auch von den übergeordneten universitären Stellen war professionell und ausgezeichnet. Natürlich bin ich noch dabei, mich in die Strukturen und Abläufe einzuarbeiten. Dies braucht Zeit.

Was ist bisher Ihr Highlight?
Angesichts des 7. Oktobers, ein Jahr nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, hatte ich ein Podiumsgespräch zu den Folgen für die Beziehungen zwischen Juden, Christen und Muslimen organisiert. Ich war sehr erfreut über die grosse Resonanz. Bei einem politisch so sensiblen Thema mussten die Inhalte, die Betreuung der Gäste bis hin zur Sicherheit des Publikums abgestimmt werden. Die Zusammenarbeit war grossartig.

Welche Lehrveranstaltung führen Sie zurzeit durch und um was geht es da?
Die Hauptvorlesung gilt der Geschichte und Theologie des jüdisch-christlichen Dialogs. Dabei bin ich bereits den geistesgeschichtlichen Voraussetzungen nachgegangen und habe Dialog als ein anthropologisches Konzept der umfassenden Begegnung skizziert. Inzwischen sind wir bei der Seelisberg-Konferenz zur Bekämpfung des Antisemitismus von 1947 und bei der Erklärung Nostra aetate des zweiten Vatikanischen Konzils von 1965 angekommen, beides gesellschaftliche Durchbrüche. Nostra aetate ist heute die magna charta des Dialogs mit allen Religionen der röm.-kath. Kirche. Aber auch das Seminar zu Midrasch, zur rabbinischen Bibelauslegung und ihrer hermeneutischen Relevanz heute, macht mir grosse Freude.

Woran forschen Sie momentan?
Zwei Themen stehen im Vordergrund: Einerseits geht es angesichts des Israel/Palästina-Konflikts um die Antwort und den Beitrag der Religionsgemeinschaften. Es braucht eine christliche Theologie des biblisch verheissenen Landes, die im Dialog mit jüdischen Entwürfen stehen muss. Andrerseits ist es heute ein Gemeinplatz: «Jesus war Jude.» Doch was bedeutet dies für uns? Mit einem internationalen Team von Juden und Christen aus Europa, Israel und den USA versuchen wir, die vielfältigen Konsequenzen auszuloten.

Und was steht in Zukunft an?
Mit Kollegen aus Österreich und Deutschland habe ich gerade ein Forschungscluster lanciert, um den jüdisch-christlichen Dialog in den deutschsprachigen Ländern voranzutreiben. Bei einer ersten Tagung sollen Forschungsstand, state of the art, die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die wichtigen Themen etc. erhoben werden, um in den Folgejahren vertieft inhaltliche Forschungsschwerpunkte zu fördern. Selbstverständlich wird auch in Zukunft mit neuen Methoden und auf kreative Art und Weise an der Überwindung von Antijudaismus und Antisemitismus zu arbeiten sein. Dies bleibt eine Daueraufgabe.