Drei Fragen an Prof. Dr. Lena Maria Schaffer

Lena Maria Schaffer, seit 2016 Assistenzprofessorin für Politikwissenschaft an der Universität Luzern, wurde im August 2022 zur ordentlichen Professorin für Inter- und Transnationale Beziehungen berufen. Am Dienstag, 9. Mai 2023, findet ihre Antrittsvorlesung «Klimapolitik im Spannungsfeld von internationaler Zielerreichung, nationaler Politisierung und öffentlicher Akzeptanz» an der Universität Luzern statt.

Prof. Dr. Lena-Maria Schaffer

Frau Schaffer, Sie studierten in Konstanz (DE), in Warwick (UK) und in Bologna (IT), promovierten an der ETH Zürich und forschten dort sowie an der Colombia University und der University of Illinois. Im Jahr 2016 kamen Sie nach Luzern. Wie haben Sie den Weg nach Luzern gefunden?
Der Weg nach Luzern war – wie so oft in der Wissenschaft – ein glücklicher Zufall. Nach drei Jahren Postdoc an der ETH Zürich war die Stelle als Assistenzprofessorin an der Universität Luzern eine ideale Gelegenheit, mich beruflich und akademisch weiterzuentwickeln. Zuvor forschte ich an grossen Institutionen, die familiäre Universität Luzern ist daher ein schöner Kontrast. Mir gefällt das Moderne, aber auch das Persönliche. Hier hat man die Gelegenheit, die Universität und ihr Angebot mitzugestalten. Ich bin zum Beispiel gerade dabei, einen neuen Masterstudiengang Climate Politics, Economics and Law (CPEL) zu lancieren. Dass drei verschiedene Fakultäten gemeinsam einen neuen, interdisziplinären Studiengang entwickeln, ist nur dank der Flexibilität einer kleinen Universität möglich.
 

Am 9. Mai halten Sie Ihre Antrittsvorlesung mit dem Titel «Klimapolitik im Spannungsfeld von internationaler Zielerreichung, nationaler Politisierung und öffentlicher Akzeptanz». Was darf das Publikum erwarten und braucht es Vorwissen, um dieser Vorlesung folgen zu können?
Mein primäres Ziel ist, meine Forschung in einer verständlichen Art und Weise vorzustellen, sodass sowohl Fachleute als auch alle anderen Interessierte eine erkenntnisreiche Vorlesung geniessen können. Daher braucht es kein grosses Vorwissen. Ich kann meine Antrittsvorlesung jedem empfehlen, der sich für die aktuelle Klimapolitik interessiert.

Die internationale Politik, mein Kernforschungsbereich, hat das Pariser Klimaabkommen 2016 mit dem Ziel des Klimaschutzes hervorgebracht. Nachdem dieses Abkommen von nahezu allen Ländern ratifiziert wurde, kristallisiert sich über die Jahre immer mehr heraus, dass die Umsetzung schwierig ist: Das Abkommen scheitert auf nationaler Ebene, denn in der Gesellschaft wird stark politisiert. Hinzu kommt die partiell mangelnde öffentliche Akzeptanz. Nehmen wir als Beispiel die Solaranlagen in den Bergen: Sie wären eine gute Lösung, um die Energiewende voranzutreiben, doch wird dadurch nicht die Kulturlandschaft beeinträchtigt? Wir sehen verschiedene Interessen, die gegeneinander abgewogen werden müssen. Diese Spannungsfelder betreffen neben der Politikwissenschaft selbstverständlich auch die Wirtschaftswissenschaften und die Rechtswissenschaften sowie viele weitere Gebiete. Meine Forschung ist daher unter Umständen auch für andere Sozialwissenschaften interessant.
 

Sie befassen sich in Ihrer Forschung mit vergleichender Klima- und Energiepolitik sowie mit Einstellungsforschung zu Klimawandel und Globalisierung. Wie kam es dazu? Was fasziniert Sie an diesen Themen?
Klimapolitik hat mich bereits als Kind beschäftigt. Schon in den 1990er-Jahren war die Klimaerwärmung ein sorgenerregendes Thema. Man wusste grob wie der Zusammenhang zwischen den «Treibhausgasen» und der Erwärmung war und was langfristig an globaler Erwärmung auf uns zukommen würde, falls keine Massnahmen ergriffen würden. Trotzdem war man im Jahr 2006, als ich mit meiner Dissertation begann, keinen Schritt weiter. Dies, obwohl die Wissenschaft in der Zwischenzeit mit zahlreichen Gutachten, Erkenntnissen und Studien untermauert hatte, wie dringend ein politisches Umdenken ist. Als Studentin der Politikwissenschaft interessierte mich, weshalb die Politik das Klimaproblem derart langsam und schleppend angeht. Heute treten die Interessenkonflikte im Bereich der Klimapolitik und die Partikularinteressen einzelner Bevölkerungsteile natürlich immer stärker und lauter hervor. Effektive Klimapolitik jedoch, die das Überleben ganzer zukünftiger Generationen sichern soll, funktioniert eventuell nicht im kurzfristigen Parteien- und Interessenwettbewerb.

Zur Einstellungsforschung kam ich erst später. Hierbei geht es um den Menschen als Individuum, seine Meinung und seine politische Einstellung. Wir wissen zum Beispiel, dass ein Grossteil der Bevölkerung das Klima retten möchte. Dennoch wird eine Erhöhung der Benzin- und Dieselpreise als sehr wichtiges Argument gegen eine Klimapolitik eingestuft. Wie Mehrkosten des Alltags gegen eine innere Überzeugung abgewogen werden und inwiefern diese eine Entscheidung beeinflussen, das untersucht die Einstellungsforschung.

Aber welche Politik ist effektiv zur Reduktion schädlicher Treibhausgase und gesellschaftlich akzeptiert? Das ist genau das, was mich interessiert und weiterhin fasziniert.


Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Lena Maria Schaffer
«Klimapolitik im Spannungsfeld von internationaler Zielerreichung, nationaler Politisierung und öffentlicher Akzeptanz»
Dienstag, 9. Mai 2023

Prof. Dr. Lena Maria Schaffer hält ausserdem am 24. Mai 2023 einen Vortrag für die LUKB- Vorlesungsreihe an der Universität Luzern: «Wie verändert Klimapolitik die Gesellschaft? Warum Widerstände entstehen und Politik stolpert.»
Die Vorlesung ist öffentlich, alle Interessierten sind herzlich eingeladen.


Das Interview wurde von der Geschichts-Studentin Chantal Hüsler geführt.